Der Fliegende Holländer
Worten, denn sie fühlte sich ein wenig verunsichert, da sie sich schon lange nicht mehr so angeregt unterhalten hatte. »Kommen Sie sich denn niemals irgendwie anders vor? Wichtig? Vom Schicksal auserwählt?«
»Ich? Nein! Warum sollte ich?« wunderte sich Vanderdecker.
»Ich war fest überzeugt, daß Sie sich irgendwie so fühlen müßten«, sagte Jane. »Bedenkt man, daß Sie unsterblich sind …«
»Soll ich Ihnen ganz unverblümt sagen, wie ich mir vorkomme?«
»Ja, bitte.«
Vanderdecker starrte gedankenversunken auf den Tisch. »Es ist schwer, sich als besonders, wichtig oder gar als vom Schicksal auserwählt vorzukommen, wenn man auch nur annähernd so abstoßend riecht, wie ich’s normalerweise tu. Ich hoffe, ich hab mich klar ausgedrückt.«
»Völlig.«
»Gut.« Vanderdecker hob den Kopf und grinste. »Und krieg ich jetzt endlich die Geschichte über meine Lebensversicherung zu hören?«
»Wenn Sie möchten.«
»Schießen Sie los.«
Also erzählte Jane ihm alles.
»Hör mal«, brüllte Danny in den Telefonhörer, »du begreifst offensichtlich nicht, daß …«
Das Signal zum Geldnachwerfen ertönte, und Danny wühlte verzweifelt in der Hosentasche nach Kleingeld. Was er aufstöberte, waren fünf Pennies, ein Dichtungsring und eine französische Münze mit dem Kopf von Charles de Gaulle, die er am Flughafen Gatwick irgendwie erworben hatte. Er ließ sich nicht lange beirren und steckte die französische Münze in den Schlitz, was erstaunlicherweise klappte.
»Du begreifst offensichtlich nicht …«, setzte Danny erneut an, wurde aber sofort von der Stimme am anderen Ende der Leitung unterbrochen.
»Nein, Danny! Du begreifst nicht, daß du eine Regatta filmen sollst. Alles, was für die Hochgeschwindigkeitsschiffahrt nicht von Belang ist, ist deshalb verboten. Halt dir dieses Prinzip fest vor Augen, dann kannst du nicht viel falsch machen.«
Danny holte tief Luft und erstarrte vor Zorn. Dann zwängte er dieselbe Luft durch den Kehlkopf hinaus, verwandelte aber den Zorn in Entschlossenheit.
»Okay, du läßt mir keine Alternative.«
»Also filmst du die Regatta?«
»Ich werde die Regatta nicht filmen, sondern Fay Parker vom Guardian anrufen!«
Diese Worte waren nichts als ein leere Drohung, zumal sie ein Mann mit fünf Pennies und einem Dichtungsring in der Tasche ausstieß. Aber natürlich wußte die Stimme das nicht und sagte erst einmal gar nichts.
»Und weißt du, was ich Fay Parker erzählen werde?« fuhr Danny fort. »Ich werde ihr die ganze Wahrheit über die Amethyst-Geschichte erzählen.«
Die Stimme war nun überhaupt keine Stimme mehr. Sie war nur noch ein Schweigen.
»Ich werde ihr erzählen«, sagte Danny zu dem Schweigen, »daß derjenige, der sich im Kabinett für die Indizierung der Amethyst-Dokumentation eingesetzt hat, nicht der Premierminister, der Innenminister oder gar der Verteidigungsminister gewesen ist, sondern der Chef für Tagespolitik bei der BBC. Der wollte nämlich, daß die Dokumentation abgesetzt wird, um sich selbst als Märtyrer für die Sache der Pressefreiheit bejubeln zu lassen, damit es niemand mehr wagen konnte, ihn aufgrund ungeheuerlicher Inkompetenz zu entlassen. Meinst du, Fay Parker könnte mit so einer Story was anfangen?«
Das Schweigen blieb weiterhin ein Schweigen, und Danny hatte fürchterliche Angst, daß die Zeit von Charles de Gaulle ablief, bevor es wieder zu einer Stimme werden würde. »Nun, was ist?« hakte er ungeduldig nach.
»Arschloch«, meldete sich die Stimme.
Danny strahlte vor Freude, und als er ›Danke‹ sagte, ertönte im selben Augenblick das Signal zum Geldnachwerfen.
»Wirklich?« fragte Vanderdecker.
»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, oder ich will auf der Stelle tot umfallen«, antwortete Jane. »Deswegen hab ich Sie gesucht.«
»Wissen Sie eigentlich, daß das eine herbe Enttäuschung für mich ist?«
»Und warum?«
Vanderdecker kratzte sich am Ohr. »Schwer zu sagen, ehrlich. Wahrscheinlich liegt es daran, daß ich schon seit langem halbwegs erwartet hab, daß irgendwelche Leute nach mir suchen, allerdings aus ganz anderen Gründen.«
»Das ist klingt ja fast ein bißchen nach Verfolgungswahn.«
Vanderdecker zuckte die Achseln. »Mag sein. Ich hab mir gedacht, daß das, was ich getan hab – so lange am Leben zu sein und all das –, nun ja, irgendwie falsch sei, und daß es früher oder später jemand herausfinden und mir sagen könnte, ich solle endlich damit aufhören. ›Benimm dich gefälligst
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