Der Fliegende Holländer
Sie zufällig jemanden namens Montalban? Professor Montalban? Der beschäftigt sich doch auch mit dieser ganzen Alchimie, oder?«
Cornelius’ Gesicht verzog sich zu einem gewaltigen Lachen. »Montalban kenne ich nur zu gut«, antwortete er. »Das ist schließlich derjenige, der uns diesen ganzen Schlamassel eingebrockt hat.« Plötzlich schien Cornelius einige Zusammenhänge zu vermuten. Er schaute Danny erneut an, wobei sein Blick dieses Mal überhaupt nicht mehr freundlich war, und fragte argwöhnisch: »Woher kennen Sie Montalban überhaupt?«
Das Glück ist nicht nur mit dem Tüchtigen, das hat es schon oft bewiesen, sondern häufig hat man mehr davon auch als Verstand. In diesem besonders entscheidenden Moment näherten sich der Verdomde zwei Boote. Auf dem einen, das von Steuerbord kam, saßen Vanderdecker und Jane Doland. In dem kleinen Motorboot auf der anderen Seite befand sich eine Gruppe freier Reporter, die das Schiff hübsch fanden und glaubten, die eine oder andere Zeitung könnte Verwendung für ein Foto oder einen kleinen Artikel haben. Da der Rumpf der Verdomde zwischen den beiden Booten lag, konnten sich die jeweiligen Insassen natürlich nicht sehen.
Danny entdeckte das Motorboot mit den Reportern durch eine offenstehende Geschützpforte. Ich kann zwar nicht schwimmen, dachte er, aber das ist jetzt auch egal.
»He! Wo wollen Sie denn hin?« brüllte Cornelius und versuchte, ihn am Arm festzuhalten, aber es war zu spät. Danny hatte seine schmalen Schultern bereits durch die Geschützpforte gezwängt und fiel einen Augenblick später ins Wasser. Dort schrie er um Hilfe und schlug wie ein verwundeter Hai wild um sich. Kurz vor dem Ertrinken wurde er von dem Motorboot aufgefischt.
Als er die Augen öffnete, sah er als erstes eine Kameratasche, in der sich viele Objektive und Filmrollen befanden. »Presse?« fragte er röchelnd.
»Na ja, so was Ähnliches«, antwortete einer seiner Retter. »Freie Mitarbeiter. Spielt das unter diesen Umständen wirklich ein Rolle?«
Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, beruhigte sich Danny. »Hören Sie …«
9. KAPITEL
»So, bitte schön. Hier hab ich eine schöne Tasse Kaffee für Sie«, säuselte Mrs. Clarke. »Lassen Sie ihn nicht kalt werden.«
Sie stellte die Tasse direkt neben die beiden anderen ab, die bereits randvoll mit kaltem Kaffee waren und auf denen diese blasse, milchweiße Schicht schwamm, die vernünftige Menschen so abstoßend finden.
»Danke«, sagte der Mann am Tisch, ohne aufzublicken. Er streckte die Hand aus, ertastete eine der Tassen, führte sie an den Mund und trank sie halb leer. Es war eine von den kalten, aber er schien es nicht zu bemerken. Mrs. Clarke schüttelte sich und ging. Obwohl sie keine religiöse Frau war, wußte sie, wo Leute, die heiße Getränke kalt werden lassen, nach dem Tod landen. Als sie wieder vor ihrer Schreibmaschine saß, schüttelte sie betrübt den Kopf und bedauerte nicht zum erstenmal, daß sie damals nicht den Job in der Kunststoffabrik angenommen hatte.
Wäre dem erst kürzlich aus Genf zurückgekehrten Professor Montalban aufgefallen, wieviel Leid er seiner Sekretärin zufügte, hätte er bestimmt darauf geachtet, den heißen Kaffee zu trinken. Er war keinesfalls ein herzloser Mensch. Im Moment richtete sich seine Konzentration aber auf etwas anderes. Seine Gedanken kreisten um eine kleine Fläche des Tischs, wo ein Schreibblock, drei Bleistifte (an beiden Enden angespitzt), ein Taschenrechner und zehn bis fünfzehn Bücher lagen, die allesamt aufgeschlagen waren. Er hatte Kopfschmerzen, aber das war nicht das eigentliche Problem, denn er kannte diese Kopfschmerzen schon seit dreihundertzweiundvierzig Jahren, und er wußte, daß sie von einer Überanstrengung der Augen herrührten. Wegen des Elixiers konnte sich seine Sehkraft zwar nicht verschlechtern, selbst wenn er sie über alle Maßen strapazierte, aber sie bereitete ihm unaufhörlich Kopfschmerzen. Er wußte auch, daß der Optiker in der Cornmarket Street ihn innerhalb von zehn Minuten mit etwas ausstatten konnte, das diese Kopfschmerzen für immer vertreiben würde. Das Problem war nur, dafür die Zeit zu finden. Morgen vielleicht oder auch übermorgen.
Paradoxerweise war Zeit das einzige, von dem Professor Montalban jede Menge hatte. An Genialität fehlte es ihm hingegen an allen Ecken und Enden; er verfügte nicht einmal über jenen kleinen Funken Intuition, den ein Wissenschaftler so dringend benötigt, wenn er jemals etwas
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