Der Fliegende Holländer
verwahrlosten großen Kater, der genauso verärgert wie Neville selbst wirkte.
»Da haben Sie dieses blöde Vieh«, schnaubte er verächtlich und ließ den Kater frei. »Ich hoffe, Sie sind jetzt endlich zufrieden.«
Danny riß entgeistert die Augen auf. »Was tun Sie da?« Obwohl er sich mit Folterungen nicht besonders gut auskannte, wußte er, daß mit Gefangenen von verschwörerischen Gemeinschaften so etwas häufig geschah, und außerdem mochte er keine Katzen.
»Sie selbst haben doch behauptet, hier seien Mäuse im Keller«, klärte Neville ihn auf. »Also bin ich angewiesen worden, diese Katze runterzubringen. Zufrieden?«
»Ach so! Ich verstehe«, seufzte Danny erleichtert. »Danke auch«, fügte er verspätet hinzu, denn Neville war schon wieder hinausgegangen und hatte nur den Kater zurückgelassen.
Der Kater wanderte ein bißchen umher, kratzte an der Tür, miaute mißmutig und legte sich dann schlafen. An Mäusen schien er jedenfalls nicht interessiert zu sein, aber wer konnte ihm das verübeln? Danny, der eine grundsätzlich liberale Einstellung hatte, war strikt gegen jedes rassistische oder sexuelle Vorurteil, und dieses Prinzip galt vermutlich auch für Tiere.
Für etwa eine halbe Stunde war das alles. Dann waren wieder Schritte auf der Kellertreppe zu hören, von denen Danny hoffte, daß sie etwas mit Essen zu tun hatten. Er schaute sich nach der Kameracrew und den Tontechnikern um, die es dem Kater gleichgetan hatten und fest schliefen.
Die Tür öffnete sich, und ein Mädchen kam herein. Hinter ihm befanden sich Harvey und Harveys Pistole.
»Rein da!« grunzte Harvey überflüssigerweise. Das Mädchen warf ihm einen feindseligen Blick zu, kam seiner Aufforderung aber anstandslos nach und trat ein.
Es war ziemlich dunkel im Keller, und das könnte erklären, warum Jane, die unter normalen Umständen ein vorsichtiger Mensch war, dem Kater auf den Schwanz trat. Der Kater wachte auf, kreischte und schnellte hoch. Jane ebenfalls. Sie sprang ungefähr einen Meter hoch in die Luft, verlor das Gleichgewicht und fiel gegen Harvey. Harvey für seinen Teil reagierte gemäß den Instinkten von Generationen ritterlicher Vorfahren und fing sie auf, wobei er vor lauter Zuvorkommenheit die Waffe fallen ließ. Bitte verfolgen Sie aufmerksam, was nun geschieht.
Die Pistole fiel auf den Steinfußboden, landete auf dem ungesicherten Schlaghebel, ging los und erschoß den Kater. Danny suchte vergeblich Deckung, als er den Schuß hörte. Harvey versuchte, Jane loszulassen, die sich aber strikt weigerte, losgelassen zu werden, und ihn bei den Ohren packte. Auf diese Weise setzte sie ihn eine Weile außer Gefecht, so daß Danny genug Zeit hatte, sich auf dem Fußboden hinüberzuschlängeln, die Pistole mit den gefesselten Händen zu ergreifen und zu versuchen, Harvey damit in Schach zu halten. Unglücklicherweise behinderten ihn die Fesseln zu sehr, um die richtige Person in Schach halten zu können, und Jane, die sah, daß jetzt noch ein anderer Mann mit einer Pistole auf sie zielte, kreischte auf und ließ Harveys Ohren los. Harvey blieb genau dort, wo er war. Er hatte genug von diesem Blödsinn mit Pistolen und abgeschlossenen Kellern und trat in den Streik.
»Okay, Harvey, das Spiel ist aus!« zischte Danny.
»O je, fällt dir denn nichts Beßres ein?« antwortete Harvey, denn er haßte Klischees. Danny hingegen hatte weit mehr Spionagethriller gesehen, als gut für ihn war, und wußte deshalb ganz genau, was als nächstes kam. »Keine Bewegung!« knurrte er. Es gefiel ihm, diese Drohung knurrend auszustoßen, und die Tatsache, daß er mit der Pistole immer noch auf die falsche Person zielte, tat nichts zur Sache.
Der kürzlich erfolgte Ablauf lautstarker und hektischer Bewegungen hatte auch das restliche Fernsehteam aufgeweckt. Die Männer öffneten die Augen, registrierten, was vor sich gegangen war, und brachten ihre Meinung zum Ausdruck, daß dies ja auch allmählich an der Zeit gewesen sei.
Jane, die sich ziemlich übergangen fühlte, stellte sich vor. »Mein Name ist Jane Doland. Ich arbeite für Moss Berwick als Buchhalterin. Und wer sind Sie bitte?«
»Danny Bennett, BBC, Redaktion Tagespolitik«, antwortete Danny. »Angenehm.« Er verlagerte sein Gewicht auf den Musikantenknochen des linken Ellbogens und brachte die Pistole auf gleiche Höhe mit Harveys zitronenfarbenen Socken. Das mußte reichen.
»Was meinen Sie? Ob wir jetzt wohl gehen können?« fragte Jane.
Danny dachte nach und
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