Der Fliegende Holländer
tat – er sackte nämlich nicht tot zu Boden.
»Also wirklich, Mister Bennett!« empörte er sich, während er eine plattgedrückte Pistolenkugel aus seinem Jackettaufschlag hervorzauberte, als wäre sie der letzte Wermutstropfen am Tag nach Abschluß des Waffenstillstandsabkommens. »Ich muß Sie doch wirklich bitten, etwas vorsichtiger zu sein. Das hätte ein Unglück geben können!«
Harvey drückte sich wesentlich drastischer aus und steckte den Lauf der Pistole in Dannys Ohr. Nach und nach nahmen alle wieder ihre Plätze ein, und der Kater legte sich erneut schlafen.
»Vielleicht sollte ich Ihnen lieber erst einmal alles erklären«, besänftigte der Professor die Gemüter.
11. KAPITEL
»Jetzt nicht, Sebastian«, bat Vanderdecker und duckte sich instinktiv. Das Geräusch eines auf Eichenplanken prallenden unverwundbaren Holländers ließ jedoch vermuten, daß Sebastian den Kapitän nicht rechtzeitig gehört hatte.
Dabei handelte es sich um ein ziemlich unverkennbares Geräusch, das, um die Wahrheit zu sagen, Vanderdecker allmählich nicht mehr ertrug. Tagein, tagaus dasselbe monotone Aufklatschen. Hätte er früher darüber nachgedacht, so grübelte Vanderdecker, hätte er es wenigstens einem nützlichen Zweck zuführen können. Beispielsweise hätte er Sebastian darin unterweisen können, seine sinnlosen Sprünge zu jeder vollen Stunde zu machen, dann wäre es nicht mehr so schlimm gewesen, wenn er mal vergessen hätte, seine Uhr aufzuziehen.
Nun war es jedoch zu spät, aus einem schlechten ein gutes Lebenswerk zu machen. Mit jener Geschicklichkeit, die man nur durch lange Übung erlangt, verdrängte er diesen lästigen Gedanken und fragte sich lieber, wie Jane wohl zur Zeit vorankam. War es ihr womöglich schon gelungen, den Alchimisten aufzuspüren? Ihrer Meinung nach sollte das kein großes Problem sein, und vielleicht war es das auch wirklich nicht; schließlich schien der Name Montalban heutzutage nicht nur ihm, sondern auch vielen anderen Menschen ein Begriff zu sein. Da war zum Beispiel dieser Verrückte, den die Mannschaft aus dem Meer gefischt hatte und dem man die Alchimiewerkstatt auf dem Schiff gezeigt hatte; anscheinend war er von selbst auf den Namen des Professors gekommen. Sicherlich hatte auch Jane schon von ihm gehört. Also brauchte sie vielleicht nichts weiteres zu tun, als im Telefonbuch nachzusehen. Warum bin ich bloß selbst nie darauf gekommen?
Wenn ich nun davon ausgehe, daß es ihr tatsächlich gelungen ist, die Nachricht zu überbringen, was ist, wenn Montalban sich nicht dafür interessiert? Was ist, wenn er nicht kommt? Und was ist vor allem, wenn er in Wirklichkeit gar kein Mittel gegen den Geruch entdeckt hat?
Daran durfte Vanderdecker gar nicht denken; außerdem war das unlogisch. Wenn sich Montalban in menschlicher Gesellschaft frei bewegen konnte, war es nur logisch, daß er auf ein Mittel gestoßen war, um mit dem Problem fertig zu werden, selbst wenn es sich dabei lediglich um einen außergewöhnlich durchdringenden Pfeifentabak handeln sollte. Doch hatten sie das ja schon selbst ausprobiert, und es war genauso ein Reinfall gewesen wie alles andere; schlimmer noch, seit Matthias an dem Zeug Gefallen gefunden hatte, mußten erst einmal alle lernen, sich schon wieder mit etwas Neuem abzufinden.
Wenn es noch etwas gibt, das wir alle an Bord lernen müssen, sagte sich Vanderdecker, während er sich auf die Reling stützte und beobachtete, wie die Möwen mit schockartigem Ekel abdrehten, dann ist es Toleranz. Mit Ausnahme von gepanschtem Bier und Country-and-Western-Musik haben wir gelernt, so ziemlich alles auf der Welt zu tolerieren. Es macht uns nichts aus, angespuckt, beschossen, mit Wasserkanonen bespritzt, exorziert oder aus Kneipen rausgeschmissen zu werden. Auf Sebastians Selbstmordversuche, Cornelius’ Schnarchen, Johannes’ Fußnägelschneiden, Pieter Pretorius’ Pfeifen, Antonius’ dummes Gerede und seine noch dümmeren Schachpartien und praktisch alles, was den Koch betrifft, reagieren wir lediglich mit einem resignierten Achselzucken und einem kurzen therapeutischen Gemurmel. In einer Welt, die sich noch immer nicht abgewöhnt hat, Menschen umzubringen, weil sie der falschen Religion, politischen Partei oder dem gegnerischen Fußballverein angehören, ist das keine kleine Errungenschaft. Das ist fast ein wenig wie Buddhismus, sinnierte Vanderdecker, allerdings ohne dieses ewige Herumsitzen und Vor-sich-Hinsummen.
Und was täten wir nach all
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