Der fliegende Weihnachtskater
erklärt und ihr Bilder von dem Geschöpf gezeigt. Ich hatte auch drauf gelinst, heimlich. Also gut, schön war sie, die schlanke Weiße, und ihre dunkel umrandeten Augen blickten unergründlich in die Ferne. Sanft und zärtlich sei sie auch gewesen, hatte die Frau behauptet. Und unglaublich klug.
Unglaublich klug war ich auch. Aber weder sanft noch zärtlich. Das konnte sie sich abschminken. Und Meena konnte auch alles andere als sanft sein. Zumindest nicht als Geist. Denn im Sommer hatte ich es noch einmal gewagt, meine Schnauze an der Vase zu reiben, nur um zu sehen, ob sich das Schauspiel wiederholte. Und diesmal war ich auch gewappnet, als der fauchende Katzen-Geist wie der leibhaftige Shaitan herausschoss.
Bevor das Wesen das Maul aufreißen konnte, hatte ich es nach bester Bazarmanier angepfiffen. Wow, das tat richtig gut. Ich kreischte und brummte und geiferteund krakeelte. Dieses Mistvieh wirbelte Staub auf und ließ mein Fell knistern und meinen Schwanz peitschen. Es war fies, es war heftig, es war vor allem laut. Wir hetzten uns durch die Wohnung, Topfpflanzen wackelten, Gläser klirrten, ein Teller ging zu Bruch, die Nachbarn klopften an die Decke, aber schließlich hatte der Geist sein Pulver verschossen und wollte zurück in die Vase. Ich knallte ihm die Kralle auf den Schwanz.
Funken stoben.
»Lass los, du schäbiger Flohpelz.«
»Nichts da. Du bist ein Dschinn und hast mir zu gehorchen.«
»Dschinn? Pfeifendeckel. Wo hast du das dünne Brett denn her?«
»Weiß doch jeder.«
»Aber du schon gar nichts. Ich bin kein Dschinn, du Flasche. Dschinns wohnen in Lampen.«
»Und warum wohnst du in einer Vase und lässt dich durch Reiben rauslocken, Rattenarsch?«
»Und warum willst du das wissen, Zeckenkopp?«
Wir waren an einem Punkt angekommen, an dem die Verständigung abbrechen musste. Aber die Neugier. Diese elende Neugier, die unsere zweite Natur ist!
Ich gab eine Schnurrhaarbreite nach und stellte mich vor.
»Aha, Bazargelichter.«
»Immer noch besser als Flaschenputzer.«
Aber auch das Geschöpf konnte seine kätzische Natur nicht verleugnen.
»Ich habe hier zu tun, Magerschwanz.«
»Ach was? Die Vase innen ablecken?«
»Wichtigeres. Und du siehst aus, als ob du noch nicht mal dein Fell richtig bürsten könntest. Aber selbst dazu reicht es wohl nicht.«
Das war ein harter Vorwurf, und leider traf er ins Schwarze. Da ich so mit meinem Leid und der ständigen Enttäuschung beschäftigt war, hatte ich mich ein wenig vernachlässigt. Es gab da verfilze Stellen, die auch die Frau hatte rausbürsten wollen. Aber ich hatte sie nicht gelassen. Die gerade gar nicht. Aber jetzt fegte ich hektisch mit der Zunge drüber, und dieser unsägliche Geist kicherte.
»Eitel, was?«
»Weniger als du.«
Plötzlich schwang so etwas wie Trauer in der Antwort mit.
»Hab ja nicht mal mehr ein Fell, um es zu putzen.«
Ich schielte hoch. Das weiße, halb durchsichtige Wesen saß auf der Kommode neben der Vase und betrachtete seine Pfoten. Mir tat es auf einmal leid.
»Du bist Meena, nicht wahr?«
»Ja. War ich.«
»Warst du. Und jetzt?«
»Ein Seelenfetzchen von Meena. Hab’s nicht über mich gebracht.«
Mir dämmerte plötzlich etwas. O Mann, was für ein Schicksal! Sie hatte es nicht auf die Goldenen Steppen geschafft – jene Gefilde, auf denen sich die Seelen der Katzen nach ihrem Tod versammelten, um sich auszuruhen, ihre Wunden heilen zu lassen, ihre Schmerzen zu vergessen und sich auf ein neues Leben vorzubereiten.
»Was ist passiert, Meena?«
»Nichts. Nur ich konnte nicht. Aber ich glaube, das verstehst du nicht.«
»Meinst du? Ich wandere auch schon seit einigen Leben«, sagte ich leise. An manche konnte ich mich erinnern, einige waren gut, andere dürftig, aber immer gab es etwas zu lernen, und immer waren sie aufregend und voller Abenteuer. Wild und frei war ich, Dschungelkatze, Streuner, Räuber. Meist war mein Pelzmantel reichlich zerrupft, wenn ich auf den Steppen ankam, um mich zu erholen.
»Mag sein, Shardul, dass du schon gewandert bist, aber du hast noch nie einen Silberfaden geknüpft.«
»Silberfaden?«
Davon hatte ich tatsächlich bisher nichts gehört. Beziehungsweise nur in einem ganz anderen Zusammenhang. Ich merkte also auf und setzte mich mit interessiert gespitzten Ohren neben Meena.
»Neugierig?«
»Immer.«
»Gut, dann hör zu. Den Silberfaden knüpfen wir mit einem anderen Lebewesen. Es ist eine hauchzarte Verbindung von Seele zu Seele und führt dazu, dass
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