Der fliegende Weihnachtskater
keine weiteren Meldungen gegeben, aber es saß ihm ein ungutes Gefühl im Nacken, so dass sich die Härchen dort sträubten.
Die Kollegin telefonierte wieder mit der Flugsicherung und machte dann einige Eingaben am Terminal. Dann sagte sie mit ruhiger Stimme: »Leute, ich löse Alarm für die Landebahn eins aus.« Ein leiser Gong erklang, und nüchtern gab sie durch: »Achtung hier spricht der Tower, möglicher Unfall auf der … Südbahn, A320 mit Triebwerksproblemen, erwartete Landung in circa fünfzehn Minuten.« Gleich darauf hörte Remo, wie sich alle in solchen Fällen alarmierten Stellen meldeten.
»Verkehrsleiter am Funk.«
»Flughafen-Feuerwehr am Funk.«
»Medizinischer Dienst hört.«
»Vorfeldkontrolle hört.«
Seine Kollegin gab nochmals alle wichtigen Daten an die Einsatzkräfte weiter. Sie würden in kürzester Zeit an ihren vorgesehenen Positionen bereitstehen.
»Was ist passiert?«
»Beide Triebwerke ausgefallen. Es hat einen Druckabfall gegeben. Sie sinken rasch.«
Remo schwieg. Seine Gedanken rasten.
Draußen wirbelten die Schneeflocken heftiger.
Eine Landung bei schlechter Sicht, Böen und ohne Umkehrschub – das konnte selbst für einen routinierten Piloten als Herausforderung gelten.
Seine Tochter war an Bord.
Gott, hoffentlich konnten sie die Panik unter den Passagieren im Griff behalten.
Die Anspannung im Tower war um einige Grade gestiegen. Es gab viel zu koordinieren. Alle anderen Maschinen würden die Lotsen in Warteschleifen schicken.
Janina war an Bord.
Die Gefahr, dass die Maschine zu hart aufschlug, lag im Bereich des Möglichen. Und selbst, wenn sie aufsetzte, bestand die Gefahr, dass durch das harte Bremsen das Fahrwerk Feuer fing.
Janina und Amita waren an Bord.
Mit ihnen fast einhundert andere Passagiere.
Er war egoistisch – Janina und Amita berührten ihn mehr als die anderen.
Irgendwann in den letzten Wochen war da etwas geschehen. Irgendwann war aus dem Necken, der Neugier und der Bewunderung für eine schöne Frau etwas Tieferes entstanden. Fast als hätte sich so etwas wie ein hauchfeines Fädchen zwischen ihnen gesponnen.
Seine Kollegin kümmerte sich weiter um ankommende und abfliegende Maschinen, gelassen, konzentriert. So würde er auch handeln, wenn er im Dienst gewesen wäre. Aber er hatte Feierabend, er durfte sich seine Gefühle eingestehen.
Und das größte davon war Hilflosigkeit.
Sie waren irgendwo da oben über der Wolkendecke, vielleicht noch einhundert oder achtzig Kilometer entfernt. Er konnte nichts tun, um ihnen zu helfen.
Er konnte sich noch nicht einmal in den Funkverkehr einmischen.
Die Kehle wurde ihm eng, als er sich vorstellte, dass es ein Abschied sein könnte.
»Bunny-Flight, bring sie sicher runter«, flüsterte er.
»Runter kommen sie immer«, sagte jemand neben ihm.
Es wäre ihm fast die Faust ausgerutscht.
16:13 Riesengroße Probleme
Amita rief Eva wieder zu sich ins Cockpit. Ihren Copiloten, der noch immer mit Sauerstoffmaske die Checklisten umklammert hielt, ignorierte sie völlig.
»Wie ist die Lage?«
»Besorgt. Aber keine Panik. Zumindest keine hörbare.«
»Gut. Aber es wird hart, Eva. Gib denjenigen, die an den Notausgängen sitzen, die Sicherheitsinstruktionen für den Ausstieg.«
»Ja, natürlich.«
»Kein anderer Pilot an Bord?«
»Nicht in der Passagierliste erkennbar. Und herumfragen wollte ich nicht. Aber die Kleine, die Janina, hat die Situation glasklar erkannt. Sie lässt sich nichts vormachen.«
»Ich weiß, sie hat mir schon immer Löcher in den Bauch gefragt. Wie hält sie sich?«
»Cool. Sie beruhigt ihren Gangnachbarn, der Flugangst hat.«
Amita seufzte.
»Lieber sie als Co als den da«, sagte sie leise.
»Sie wollte ins Cockpit.«
»Natürlich.«
»Ich wusste nicht, dass ihr Vater im Tower sitzt. Es muss für ihn die Hölle sein.«
»Hol sie her, Eva. Ganz gleich, was passiert – ich mag diesen Mädchen.«
»Ja, verstehe. Wie sind ihre Chancen …?«
»Wir haben alle Chancen. Und nun geben Sie den Passagieren ihre Verhaltensanweisungen.«
Auch die Stewardess hielt sich gut, aber Amitas Blick auf die Instrumente begann ebenfalls sorgenvoll zu werden. Sie sanken zu schnell.
Ich starrte Meena an.
»Du meinst …«
»Ja, ich meine. Aber nur, Shardul, wenn du wirklich dein Wort hältst.«
Ich wand mich innerlich. Ich wollte nicht. Oder ich wollte doch? War es denn wirklich so schlimm?
Meena saß noch immer neben ihm auf der Kommode. Sie vibrierte leicht, so dass sie
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