Der fliegende Weihnachtskater
was meinen Sie, wie oft der schon eine Panne hatte oder irgendwo gegen gedotzt ist oder die Türen klemmten und alles. Das passiert beim Fliegen nie.«
»Aber der Knall …?«
Wieder geriet das Flugzeug in eine wilde Turbulenz, und alle Blätter und Buntstifte flogen durcheinander.
»Och, schade, mein schönes Bild ist weggerutscht.«
In dem Augenblick fielen die Sauerstoffmasken herab. Ein entsetztes Raunen ging durch die Kabine. Janina angelte sich die Maske, drückte sie sich auf das Gesicht und legte das Gummiband um ihren Kopf. IhrNachbar hingegen starrte gelähmt vor Angst die seine an.
»Aufsetzen!«, sagte sie, und es hörte sich komisch an. Darum machte sie den Gurt los und beugte sich vor, um ihm die Maske über Nase und Mund zu halten. Eva kam von hinten, drückte sie wieder in ihren Sitz.
»Anschnallen, Janina.«
Dann half sie Herrn Andersen.
»Wir haben einen Druckverlust. Aber wir befinden uns bereits im Sinkflug, die Masken werden gleich nicht mehr notwendig sein«, erklärte die Stewardess.
Dann verschwand Eva im Cockpit. Janina stellte fest, dass auch sie etwas besorgt aussah. Und noch besorgter, als sie kurz darauf zurückkam. Sie zupfte ihr an der Jacke, als sie ihren Platz erreichte.
»Ist was passiert?«, flüsterte sie.
»Nichts von Bedeutung, Janina. Aber wir haben mit weiteren Turbulenzen zu rechnen. Die Wolken sind heute wie Kopfsteinpflaster.«
»Oh, na gut.«
Aber Janina wusste, dass die Stewardess gelogen hatte. Es lag nicht nur an den Wolken. Und die anderen Passagiere ahnten es wohl auch. Es gab zwar keine entsetzen Äußerungen, aber die Angst lag geradezu fassbar über den Sitzen.
Und dann machte Amita ihre Durchsage. Ein kleiner Fehler sei aufgetreten, man möchte bitte angeschnalltbleiben und sich auf einen etwas unruhigen Sinkflug einstellen.
Eva hatte gelogen. Ein kleiner Fehler – das sagte Amita immer, wenn etwas schiefgegangen war. Und zwar richtig schiefgegangen – so wie damals, als die Spülmaschine übergeschnappt war und ohne Wasser das ganze schmutzige Geschirr aufgeheizt hatte. Sie hatte nicht geschimpft, sie war ganz ruhig geblieben, hatte die heißen Töpfe und Teller ausgeräumt und in die Spüle gestellt. Am Telefon hatte sie dann dem Kundendienst gesagt, ein kleiner Fehler sei aufgetreten.
Stundenlang hatte sie ihr geholfen, die eingebrannten Essensreste abzuschrubben und zu scheuern.
Janina drehte sich nach Eva um. Die hatte eine Liste in der Hand und musterte die Passagiere. Dann fragte sie den Flugbegleiter etwas, und der schüttelte den Kopf.
Manchmal brauchte man einen Arzt, das wusste Janina auch. Dann fragte man bei den Passagieren nach.
Aber das konnte hier nicht der Fall sein. Der Knall musste eine Bedeutung gehabt haben. Sie beobachtete die Crew, die keine Masken trug, und nahm ihre auch ab. Nein, Sauerstoffmasken brauchte man nicht mehr, aber das Anschnallzeichen war eingeschaltet. Und die Flugbegleiter gingen herum, sammelten eilig Becher und Dosen ein und klappten die Tische hoch.
Aber es fehlte etwas.
Es fehlte ein Geräusch.
Das gedämpfte Dröhnen der Triebwerke hatte ausgesetzt.
Janinas Magen wurde zu einer harten, kleinen Kugel.
Als Eva wieder an ihrem Sitz ankam sagte sie leise: »Was ist wirklich los, Eva? Bitte – ich bin nicht doof, ja?«
»Nein, das bist du nicht.«
Die Stewardess setzte sich neben sie und sagte sehr, sehr leise: »Der Co ist ausgefallen. Und es gibt Probleme mit den Turbinen. Aber Kapitän Rosenhag wird uns sicher zum Flughafen bringen.«
»Die Triebwerke hört man nicht mehr.«
Eva seufzte.
»Du bist bei weitem zu klug, Janina. Ja, wir befinden uns im Segelflug. Aber auch das ist kein ganz großes Problem. Nur die Landung wird härter.«
»Darf ich zu Amita ins Cockpit?«
»Nein, Janina. Sie hat alle Hände voll zu tun.«
»Ich könnte ihr helfen.«
Trotz ihrer angestrengten Miene musste Eva lächeln.
»Vermutlich könntest du es. Aber überlass es ihr trotzdem. Sie weiß schon, was zu tun ist.«
»Sie haben eben nachgeschaut, ob ein anderer Pilot an Bord ist, richtig?«
Eva hob resigniert die Schultern.
»Viel zu schlau für uns. Ja, doch es gibt keinen. Aber die Fluglotsen helfen ihr.«
»Mein Vater sitzt im Tower. Aber er übernimmt uns erst, wenn sie landet.«
Eva hob mit einer kleinen, entsetzten Geste die Hand vor den Mund.
Heiser fügte Janina hinzu: »Er wird sich Sorgen machen.«
16.12 Im Tower
Remo machte sich Sorgen. Zwar hatte es in den letzten fünf Minuten
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