Der Fluch Der Bösen Tat
und wieder gerne unterhalte«, räumte Old Billy schließlich widerwillig ein.
»Wann haben Sie das letzte Mal mit einer der beiden Frauen in der Kirche gesprochen?«
»Das ist eine ziemlich dämliche Frage, meinen Sie nicht? Ich hab keine Ahnung. Vielleicht gestern, vielleicht vorgestern. Für mich ist ein Tag mehr oder weniger wie der andere. Warten Sie nur ab, Ihnen geht es genauso, wenn Sie so alt sind wie ich.«
»Heute nicht?«
»Nein.« Billys kleine tückische Äuglein begegneten Markbys Blick ohne zu zucken.
»Heut war ich nicht dort.«
»Haben Sie Miss Millar draußen vor der Kirche gesehen, beispielsweise auf dem Weg hinein?«
»Nein. Warum sollte ich?«
»Weil ein Zeuge beobachtet hat, wie sie hastig vom Friedhof geflüchtet sind, in der hinteren Ecke.« Billy schnitt eine Grimasse.
»Wer ist dieser Zeuge? Er braucht wohl eine Brille, wer auch immer es sein mag.« Markby wartete schweigend. Billy dachte über das Gesagte nach.
»Könnte sein«, sagte er dann,
»verstehen Sie mich nicht falsch – könnte –, dass ich bei meinem Spaziergang ein Stück über den Friedhof abgekürzt hab. Das mach ich öfters. Ich kann mich nicht genau erinnern. In meinem Alter lässt das Gedächtnis nach. Aber ich weiß, dass ich nicht in der Nähe der Kirche war, ganz sicher nicht. Und ich hab niemanden gesehen.« Billy schien zufrieden mit seiner einigermaßen widersprüchlichen Aussage.
»Das ist alles«, fügte er hinzu und hob seinen Becher wieder an den Mund.
»Gibt es sonst noch jemanden im Dorf, der die Angewohnheit hat, die Kirche zu besuchen?«, erkundigte sich Markby.
»Nicht dass ich wüsste.« Billy Twelvetrees zuckte die Schultern.
»Es sei denn Besucher. Sie kommen her, um die Denkmäler anzusehen. Wir haben ein paar ziemlich gute Denkmäler. Sie stammten fast alle von den Fitzroys. Das war früher die große Familie hier. Heute ist niemand mehr übrig von ihnen. Erst vor ein paar Tagen war eine Besucherin hier, eine große, gut aussehende Frau. Sie und ihr Partner, wie sie ihn nannte …« Billy kicherte,
»… die beiden waren hergekommen, um Old Vicarage zu besichtigen. Wollen es vielleicht kaufen. Sollten sich mal den Kopf nachsehen lassen, so ein verdammt großes Haus zu kaufen. Leiden wohl an Größenwahn oder so.«
»Ja«, sagte Markby unbehaglich.
»Ich denke nicht, dass wir näher auf diese Besucher eingehen müssen. Sonst noch jemand?«
»Wer kommt schon jemals nach Lower Stovey?«, konterte Billy.
»Es liegt am Ende der Welt.«
»Aber Sie haben Ihr gesamtes Leben hier gewohnt, richtig?«, hakte Markby nach.
»Früher war es ein ganzes Stück lebendiger hier«, grollte Billy.
»Bevor sie uns die Schule weggenommen und das Vikariat dichtgemacht haben. Früher hatten wir sogar ein paar kleine Läden. Sie sind verschwunden. Heut kommt so ein Bursche mit einem Lieferwagen ein paar Mal die Woche vorbei und verkauft Lebensmittel. Der Kerl ist sündhaft teuer. Mrs. Aston nimmt Dilys einmal in der Woche mit nach Bamford, und Dilys besorgt dort unsere Einkäufe. Dilys putzt für Mrs. Aston. Sie ist eine nette Person, die Mrs. Aston.«
»Und Miss Millar? War sie ebenfalls nett?«
»War sie.« Billy saugte Luft zwischen seinen verfärbten Zähnen hindurch.
»Aber sie war keine Einheimische. Mrs. Aston ist eine von uns.« Ob es der armen Ruth Aston nun gefiel oder nicht, überlegte Markby, sie würde im Kopf der einheimischen Bevölkerung des Ortes für alle Zeiten mit Lower Stovey verbunden bleiben.
»Sie ging sogar eine Weile auf unsere Dorfschule«, berichtete Billy weiter.
»Zusammen mit unserer Sandra und mit Dilys.« Markby dachte unwillkürlich, dass die Zeit offensichtlich freundlicher mit Ruth Aston umgegangen war als mit Dilys. Die beiden Frauen mussten im gleichen Alter sein, doch Dilys sah wenigstens zehn Jahre älter aus.
»Ich erinnere mich noch an die Zeit, als es im Dorf eine Schule gab«, sagte Markby. Billy starrte ihn überrascht an. Langsam setzte er seinen Becher ab.
»Wie kann das sein?«, fragte er.
»Ich war schon einmal hier, vor langer Zeit. Vor zweiundzwanzig Jahren, um genau zu sein. Damals gab es die Schule noch, genau wie das Postamt und die Geschäfte.«
»Ach, tatsächlich?« Billy musterte sein Gegenüber misstrauisch.
»Man hätte das Postamt niemals schließen dürfen. Ich kann nirgendwo mehr meine Pension abholen gehen. Dilys muss sie für mich in Bamford abheben, wenn sie dort ist.« In seiner Stimme war ein Unterton von aufrichtiger
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