Der Fluch der bösen Tat
schweigend. Morgen käme Sara Santanda, und in drei Tagen wäre sie bereits nach Schweden weitergereist. Lise dachte darüber nach, ob es ihre Beziehung verändern würde, wenn sie keine gemeinsame Aufgabe mehr hatten. Sie wußte es nicht. Sie hatte ihren normalerweise so guten Appetit verloren und stocherte im Essen herum. Damit Per nicht mitbekam, daß sie wieder zu Hause anrief, ging sie zum Münztelefon neben der Toilette, erreichte aber wieder nur ihren Anrufbeantworter. Sie rief auch bei der Zeitung an und sprach mit der Redaktionssekretärin, die sagte, daß ihre Artikel fabelhaft seien und ungekürzt ins Blatt kämen. Gewöhnlich gab ihr das immer einen Riesenauftrieb, aber irgendwie konnte sie sich gar nicht freuen. Sie hatte Angst, wußte aber nicht genau warum, obwohl ihr natürlich klar war, daß sie sich furchtbar um Ole sorgte und nicht verstehen konnte, wo er abgeblieben war.
Um acht fuhren sie zum Sender. Es hatte ein wenig aufgefrischt und regnete, aber morgen sollte es aufklaren, eventuell mit vereinzelten Schauern am Nachmittag. Bei diesem Regen und der Dunkelheit erschien eine Pressekonferenz auf dem Flakfort nicht gerade als glänzender Einfall.
Peter Sørensen holte sie beim Pförtner ab und führte sie in sein Büro. Er begrüßte Per förmlich und stellte sich vor. Er gab auch Lise die Hand, sagte hallo und fragte, wie es ihr gehe. Sein Arbeitszimmer war klein und unaufgeräumt, aber er hob einen Stapel Zeitungen von einem Stuhl und holte einen anderen aus dem Gang. Er selber setzte sich auf den Stuhl hinter seinem überbordenden Schreibtisch. Auf dem Computerschirm war in weißen Buchstaben auf blauem Grund ein Reuter-Telegramm aus Bosnien zu sehen. Er reichte ihnen Kaffee in Plastikbechern, und Per zeigte ihm das Klassenfoto.
»Ja, ja. Das ist Janos. Und ich selber, guck an. Wo habt ihr denn bloß das olle Foto her?«
»Sie kennen ihn also?« fragte Per.
»Na, und ob. Janos ging ein Jahr vor dem Abi nach Jugoslawien zurück. Sehr schade. Er war saugut. Ich habe versucht, ihn zu finden, als ich als Korrespondent da unten war. Nach meinen Infos ist er einer der besten Heckenschützen der Serben. Man sagt, er töte Menschen so ungerührt, wie Sie auf eine Fliege treten.«
Per sah ihn an. Lise fand, er glich einem Jäger oder einem Puma, der die Witterung seiner Beute aufgenommen hatte.
»Hast du ihn gefunden?« fragte Lise.
»Nein. Ich habe Gerüchte gehört, daß die Muslims seine Familie massakriert hätten. Ich habe auch nach ihnen gesucht. Ich konnte seine Eltern unheimlich gut leiden, und er hatte eine richtig süße kleine Schwester, aber durch den Krieg und so weiter war es unmöglich.« Er sah zu Per hinüber und fuhr fort: »Warum fragt die Polizei danach? Hat es mit Bosnien zu tun? Oder … mit Scheer?«
»Wie kommen Sie denn darauf?« fragte Per.
»Lise hat doch morgen nachmittag zur Pressekonferenz eingeladen. Die wollen ihm doch in Deutschland ans Leder. Ich soll darüber berichten.«
»Dazu kann ich Ihnen nichts sagen«, erwiderte Per förmlich.
»Natürlich nicht. Aber was wollt ihr mit Janos?«
»Mit ihm reden.«
Peter Sørensen trank einen Schluck Kaffee. Lise sah ihm seine Neugier an. Sein journalistischer Riecher witterte eine Story. Er spürte, daß da irgend etwas dahintersteckte, aber natürlich nicht, was. Er würde sie hundertprozentig anrufen, wenn die Polizei nicht mehr in der Nähe wäre, und versuchen, sie auszufragen.
»Ich hab den Kontakt zu ihm verloren. Aber habt ihr mit Mikael gesprochen?«
Er sah ihren Gesichtern an, daß sie nicht wußten, wovon er redete, und fuhr fort: »Er war der andere Freund von Janos. Wir drei hingen immer zusammen.« Er nahm das Klassenfoto und zeigte auf Mikael, während er weiterredete: »Mikael ist ein verrückter Vogel. Völlig vernarrt in Computer. Heute fast ein Einsiedler. Er wohnt allein in dem alten Haus seiner Eltern draußen in Hellerup. Sie sind steinreich und wohnen die meiste Zeit des Jahres in Spanien. Haben sie damals schon gemacht. Deshalb ist Mikael bei einer Tante bei uns Rabauken in Nørrebro aufgewachsen. Sie wollten ihn lieber in ein Internat stecken, aber Mikael ist die ganze Zeit abgehauen, deshalb landete er schließlich bei der Tante. Habt ihr nicht mit Mikael gesprochen?«
»Haben Sie seine Nummer?« fragte Per.
Peter Sørensen griff nach einem kleinen Taschenkalender, der auf dem Schreibtisch herumflog und schaute hinein. Er schrieb eine Telefonnummer und die Adresse in Hellerup auf einen
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