Der Fluch der bösen Tat
allem aus Dänemark und ergaben für ihn keinen großen Sinn. Kleine Konflikte, die dramatisiert wurden, weil das Land alles in allem in Frieden lebte, dachte er. Nichts Neues aus Bosnien oder über Sara Santanda. Die Welt war normal. Er schob eine tiefgefrorene Pizza in den Ofen und sah sich die Seekarte an. Die Entfernung zwischen Kopenhagen und dem Flakfort betrug etwa acht Kilometer, vom Flakfort nach Saltholm war es etwa halb so weit. Interessant waren die internationalen Fahrrinnen auf beiden Seiten des »Unreinen Meeres«. Dessen Ränder waren sicher durch Seezeichen markiert. Er dachte daran, wie die M/S Langø auf ihrer Fahrt vom Hafen zum Flakfort einen Bogen gemacht hatte, statt geradewegs Kurs auf die künstliche Insel zu nehmen. Schon auf der Kopenhagener Übersichtskarte war es zu sehen. Auf der Seekarte konnte man nun klar erkennen, wie der Middelgrunden mit dem »Unreinen Meer« wie eine Sperre, wie eine Art Minenfeld unter Wasser zwischen den beiden Fahrrinnen lag, die vom Schiffsverkehr benutzt wurden. Er ging davon aus, daß das »Unreine Meer« mit seinen Untiefen eine alte Mülldeponie oder ein Schiffsfriedhof war.
Er konzentrierte sich auf die Wettervorhersage im Fernsehen. Abends war Regen zu erwarten, aber in der Nacht sollte es aufklaren. Für den nächsten Tag wurde wolkenreiches, aber durchgehend trockenes Wetter vorausgesagt, nachts eventuell Schauer, dann würde es wieder aufklaren, und für den Tag X versprach der freundliche Mann im Fernsehen sonniges, leicht bewölktes Wetter mit mäßigem Wind aus Ost und für die Jahreszeit überdurchschnittlichen Temperaturen in der ersten Tageshälfte. Zum Nachmittag zöge dann stürmisches Regenwetter aus Ost herauf. Vuk freute sich über die Vorhersage. Mehr als Regen und schlechte Sicht in der Nacht konnte er sich gar nicht wünschen.
Er nahm die Fernbedienung und schaltete zu CNN hinüber und drehte den Ton leiser. Während er seine Pizza aß, studierte er noch einmal die Seekarte, um sich ganz sicher zu sein, welche Koordinaten er nach Berlin durchgeben würde, von wo aus sie dann an den Schiffer auf dem russischen Lastkahn weitergeleitet würden. Er hoffte, daß der Prahm schon irgendwo mit vorgetäuschten Motorproblemen auf ihn wartete, vermutlich in einem kleineren Hafen in der Nähe von Kopenhagen. Er rief Berlin an und mußte eine Viertelstunde warten, ehe er zurückgerufen wurde. Die Verbindung war klar. Er gab die Koordinaten von der Seekarte zunächst auf englisch und dann zur Sicherheit noch einmal auf deutsch durch. Donnerstag zwischen vierzehn und sechzehn Uhr. Er ließ sich seine Angaben noch einmal wiederholen und sagte dann: »Gibt’s sonst Probleme mit der Konkurrenz?«
»Negativ.«
»Okay.«
»Wir schließen das Büro, wenn das Geschäft abgeschlossen ist«, sagte die Stimme aus Berlin.
»Verstanden«, sagte Vuk. »Ich brauche dann die neue Adresse.«
»Wir bevorzugen E-Mail.«
»In Ordnung.«
Vuk notierte die E-Mail-Adresse. Nun konnte er von jedem beliebigen Rechner, der ans Internet angeschlossen war, mit seinen Arbeitgebern in Kontakt treten, ohne daß irgend jemand erführe, weshalb er sie kontaktierte. Er konnte es von einem Internetcafé oder einer Bibliothek aus tun, ob in Wien oder in Belgrad, und sie wüßten nicht, wo er sich aufhielte. Er hatte sich entschieden, nach Serbien zurückzukehren. Er hatte aus den Medien erfahren, daß die NATO die Verfolgung derjenigen eingestellt hatte, die von den Feinden der Serben als »Kriegsverbrecher« bezeichnet wurden. Er würde Emma aufsuchen und mit ihr zusammen das Ende der Wirren abwarten. Auf eigenem Terrain würden sie ihn niemals finden. Für Leute wie ihn war das im Augenblick der sicherste Ort, während der Plan, einem fanatischen Muslim die Schuld in die Schuhe zu schieben, seine Wirkung zeigen durfte.
Auf der Seekarte zeichnete er seinen Kurs ein und markierte die entscheidenden Punkte. Er würde sich am Nordre-Røse-Leuchtturm, der Insel Saltholm, dem Flakfort und den Kopenhagener Türmen orientieren und bei Tageslicht die unschuldige Boje sehen, die er am Rand des »Unreinen Meeres« und der Holländertiefe plazieren würde.
Er packte die Taucherausrüstung in den Rucksack und schnürte ihn zu. In dem wasserdichten Beutel verstaute er den Schlafsack, die Isomatte und die Stableuchte. Es war immer noch reichlich Platz. Er legte seine schwarzen Ecco-Schuhe mit den Gummisohlen auf die Isomatte. Sorgfältig faltete er sein feines Tweedsakko, die graue Hose
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