Der Fluch der bösen Tat
dünnes Plastik eingeschlagen hatte. Das Boot glitt ruhig auf den kleinen Wellen dahin. Er fuhr die Küste hinunter auf den Rand des »Unreinen Meeres« zu, das das flache Boot problemlos würde überfahren können. Der Öresund war dunkel, aber in den Fahrrinnen sah er die Positionslichter mehrerer Schiffe, und er erkannte die erleuchteten Fähren, wo es sich die Passagiere bei Kaffee oder einem letzten Bier gemütlich machten. Am Rand des »Unreinen Meeres« stellte er den Motor auf die niedrigste Umdrehung und glitt vorsichtig über die verräterische Untiefe, bis er seine Position erreichte. Er überprüfte noch einmal den Kompaß und richtete sich halb auf, um richtig peilen zu können, dann versenkte er den Rucksack mit dem Anker. Der Anker und der Bleigürtel zogen ihn rasch nach unten, und er zählte etwa zweieinhalb Meter, er war also auf der richtigen Seite dessen, was dort unten an Schwellen und Beton und Gerümpel auf dem Grund lag. Als der Rucksack unten aufgekommen war, ließ er noch zwei weitere Meter Tau auslaufen, bevor er das Messer zog, das an seiner Wade befestigt war, und das Tau kappte und die Boje daran festband. Er schaute auf den Kompaß und auf die Küste und rechts nach Nordre Røse hinüber. Er konnte die Kläranlage Lynetten und die Lichter über den Türmen von Kopenhagen sehen. Er orientierte sich an bestimmten Landmarken und wußte, daß er die Stelle mit größter Wahrscheinlichkeit wiederfinden würde. Beim Froschmanntraining in der Spezialschule hatten sie das hunderte Male geübt. Infiltration und Sabotage. Ungesehen hinein- und ungesehen wieder hinauszukommen. So etwas trainieren die Spezialeinheiten auf der ganzen Welt.
Vuk blickte wieder auf seinen Kompaß. Er fror an Fingern und Zehen, aber das war nicht schlimm, solange er sie nur bewegen konnte. Der Kälteschutzanzug schützte ihn vor dem Wasser, das ab und zu übers Boot schlug, wenn es eine falsche Welle erwischte. Er nahm Kurs auf das Flakfort, während er den Schiffsverkehr beobachtete. Er wußte, daß er unsichtbar war. Kurz vor dem Fort machte er den Motor aus und ruderte um die Hafeneinfahrt und die Insel an der Mole entlang, die das Flakfort an allen Seiten umgibt. Vuk machte das Schlauchboot an der Außenseite der Mole fest.
Er kletterte auf die Steine der Mole. Er zog den wasserdichten Sack herauf. Wären trotz Regen und Finsternis Menschen draußen gewesen, hätten sie ihn kaum sehen können, selbst wenn sie nur zwei Meter von ihm entfernt gestanden hätte. Trotzdem setzte er sich in die Hocke und lauschte intensiv. Er hörte nur den Regen, der auf die Steine und das Wasser trommelte. Die schwedische und dänische Küste waren im Dunst verschwunden. Das Flakfort wirkte verlassen. Vuk klappte den Außenbordmotor hoch und machte mit seinem Messer unter dem Wasserspiegel ein winziges Loch, dann stieß er das Schlauchboot in die Strömung. Es würde in weniger als einer halben Stunde gesunken sein.
Er schlang den Schulterriemen des Sacks um den Körper, hielt die Umhängetasche mit der rechten Hand hoch und ließ sich in das Wasser gleiten, das die Mole vom Fort trennte und es gegen die ständigen Attacken des Meeres schützte. Mit drei Beinstößen erreichte er die andere Seite und kletterte an Land.
Vuk zog den Kälteschutzanzug aus und fühlte sich verwundbar, nackt und weiß in der Dunkelheit, aber er wollte in den Gängen keine nasse Spur hinterlassen. Er machte den Sack auf, frottierte sich mit dem Badetuch ab, schlüpfte in seine schwarzen Jeans, das Unterhemd und den Rollkragenpulli und zog Socken und Schuhe an. Die nassen Seglerschuhe warf er ins Wasser und sah sie davontreiben. Er wickelte den Kälteschutzanzug in das große Handtuch und legte ihn oben in den Sack, den er wieder zuschnürte. Dann nahm er sein Gepäck und betrat die dunklen Gänge des Forts. Seine Nachtsicht war optimal, aber in den Gängen herrschte eine dermaßen tiefe Finsternis, daß er seine Taschenlampe anmachte, nachdem er zunächst angestrengt auf Geräusche gelauscht hatte. Er fand die Betontreppe und stieg in das Innere der Festung hinab. In den Kasematten betrug die Temperatur lediglich zehn Grad, und er fing an, vor Kälte ein wenig zu zittern.
Er fand die Tür mit dem Hängeschloß, die zum alten Munitionslager führte. Mit dem Dietrich bearbeitete er das Schloß. Es war simpel und ließ sich problemlos öffnen. Den anderen, etwas komplizierteren Dietrich würde er morgen brauchen. Er zog die Kette ab und betrat den
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