Der Fluch der bösen Tat
Andere Treppen führten ins Innere des Forts. Einige Gänge waren hell erleuchtet und sauber. Andere waren noch nicht renoviert und lagen im Dunkeln. In den untersten Gängen war es kalt, sicher nicht mehr als zehn Grad. Vuk durchstreifte die Festung und prägte sich die Gänge und den Aufbau ein. Er ging in einen der dunklen Gänge, obwohl ein Schild an der Mauer das Betreten untersagte. Er holte eine Lampe aus seiner Umhängetasche. Es war eine starke Stabtaschenlampe, die um ihn herum graue feuchte Mauern und rostige Stahltüren mit vergilbten Schildern erkennen ließ, die ihm verrieten, daß er sich in den alten Munitions- und Pulverkammern befand. Er hörte ein Piepsen und sah im Lichtkegel eine Ratte, die an der Mauer entlanghuschte und in einem Loch zwischen der Stahltür und dem verwitterten Beton verschwand. Die Türen waren mit schweren Hängeschlössern solide verschlossen. Eines der Schlösser untersuchte Vuk im Licht der Taschenlampe. Es war einfach zu knacken. Das war ihm in einem der nützlichen Kurse auf der Spezialschule beigebracht worden. Auf der Drehbank in dem Haus in Hellerup konnte er einen Dietrich herstellen. Langsam nahm sein Plan Gestalt an. Er barg große Risiken, aber er durfte wohl davon ausgehen, daß Dänemark nicht auf Geiselnahmen eingerichtet war. Es war ein Vabanquespiel, er setzte darauf, daß die Verwirrung zumindest fünf Minuten andauern und seine Rücksichtslosigkeit ihm den nötigen Vorsprung verschaffen würde. Die Santanda würde sicherlich in einem Boot ankommen. Davon war er überzeugt, auch wenn sie natürlich einen Hubschrauber nehmen könnten, aber er rechnete mit einem Boot. Es würde ein ziemlich schnelles Boot sein, das er zur Flucht kapern würde. Wenn sie mit einem Hubschrauber kämen, wäre er erledigt. Aber daran glaubte er nicht. Möglicherweise würde einer in Bereitschaft stehen, aber das war nicht so wild. Sie wußten nicht, daß er den Zeitplan in allen Einzelheiten kannte. Das war sein As, sein Trumpf.
Vuk ging den Gang zurück. Er hörte Stimmen, machte die Lampe aus und blieb ganz still und blind im Dunkeln stehen. Er konnte nur das Licht am Ende des Ganges sehen und die Stimme des Führers hören, die wie durch einen Schalltrichter zu ihm drang.
»Dieser Teil des Forts ist verschlossen. Es fehlt immer noch an Geld für die umfassende Renovierung der Kasematten. Das Flakfort hatte in den Jahren, als es nicht genutzt wurde, viel unter Vandalismus zu leiden. Wir gehen diesen Weg weiter.«
Die Schritte der kleinen Gruppe verhallten, und Vuk steckte seine Lampe in die Tasche. Er gelangte zum Haupteingang und den neuen Türen zurück. Eine Tür ging auf, und ein jüngerer Mann in weißer Kochkleidung trat heraus. Er war überrascht, Vuk in den Räumen des Personals zu sehen. Er blieb stehen und sah ihn fragend an.
»Ich suche die Toilette«, sagte Vuk.
Der Koch zeigte den Gang hinunter.
»Die ist da hinten«, sagte er.
Vuk lächelte ihn breit an.
»Besten Dank.«
»Keine Ursache.« Der Koch mußte auch lächeln. Vuks Lächeln steckte an.
»Sie machen wohl das Essen für uns?«
»Genau. Sagt Ihnen gebratener Aal zu?«
»Hmm. Hört sich gut an.«
»Können Sie gern bekommen. Bis gleich.«
»Ja, danke. Tschüs.«
Der Koch ging an ihm vorbei, und Vuk folgte ihm bis zu dem Schild, das auf die Toiletten hinwies. Er merkte sich die Nummer des Zimmers. Sie konnte später mal nützlich sein.
Vuk stieg auf die Spitze des Forts. Er schaute nach Schweden und Dänemark hinüber. Die schwedische Küste wirkte nah und einladend. Er blickte auf Saltholm und betrachtete den Schiffsverkehr, während er eine Zigarette rauchte und über seinen Plan nachdachte. Ein russisches Küstenmotorschiff kam den Sund herauf. Es ließ einen kurzen Pfiff ertönen, als ihm ein flacher Prahm entgegenkam. Am Achtersteven des Flußprahms wehte die russische Flagge, und in Vuks Gehirn begann eine Idee Form anzunehmen. Wieder wäre die Sache riskant, aber die Chancen stünden nicht schlecht. Wenn ihn sein Glück nicht verließ, wäre das bestimmt eine Möglichkeit.
Vuk aß gebratenen Aal im Restaurant und trank ein kleines Bier und hinterher einen Kaffee, während er weiter nachdachte. Außer den drei älteren Damen, die mit Hefegebäck, Kaffee und Zigarillos an einem anderen Tisch saßen, war er allein. Der Aal war eher merkwürdig als gut, und die Rahmkartoffeln schmeckten ungewohnt und mehlig. Sie erinnerten ihn an die Mahlzeiten seiner Kindheit bei Mikaels Tante, die richtig
Weitere Kostenlose Bücher