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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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als ich noch ein Junge war.«
    »Das tut mir leid.«
    »Das braucht es nicht. Das zumindest werfe ich ihm gar nicht vor. Ich schätze, wir haben uns alle gegenseitig verlassen.« Nando zuckte mit den Achseln, doch seine Kiefer hatten sich angespannt und verrieten, dass ihn das Thema nicht ganz so gleichgültig ließ, wie er vorgab. »Er war ein Feigling. Er war kein Verlust.«
    Sumelis hätte gerne noch mehr erfahren, obwohl ihr klar war, dass sie dieses Gespräch im Grunde nur führten, um einem anderen auszuweichen. Den ganzen Tag über hatten sie kein Wort darüber verloren, wie es weitergehen sollte, nur dass Sumelis zurückkehren würde zu ihren Eltern, in Sicherheit. Und für die einzige Frage, die alles beantworten würde, hatte Sumelis noch nicht den Mut gefunden:
    Wirst du bei mir bleiben?
    Kurz bevor die Sonne gänzlich hinter dem Horizont versank, nahm Nando die beiden Pferde und verschwand mit ihnen in der Dämmerung, um, wie er sagte, einen Bach oder Tümpel zu finden. Auf diese Weise blieb genügend Wasser von ihren Vorräten, damit Sumelis sich während Nandos Abwesenheit waschen konnte. Sie ließ sich Zeit, genoss es, mit einem feuchten Tuch den Schweiß und Schmutz des Tages von ihrer Haut zu rubbeln. Die Dämmerung schritt fort, aber Nando kehrte nicht zurück. Sumelis hängte den nassen Lappen über einen Busch zum Trocknen, danach holte sie ihren Kamm hervor, Nandos Geschenk. Sie zog sich die Zinken durch die Haare, dreißig, fünfzig, hundert Mal, bis die lockigen Strähnen seidig durch ihre Finger flossen, streichelte gedankenverloren die nur angedeutete Mähne des Kammgriffs, entfernte mit Spucke einen Fleck von der hellen Oberfläche, lauschte auf die Geräusche und Nandos Nahen. Mittlerweile war es vollkommen dunkel geworden. Besorgnis begann, seine Wurzeln in Sumelis’ Innerstes zu schlagen, doch sie ignorierte sie nach Kräften. Sie verstaute den Kamm sorgfältig in ihrem kleinen Beutel, dann warf sie sich trotz der lauen Nacht eine Decke über die Knie und wartete.
    Und wartete.
    Sie versuchte, sich auf ihren Atem zu konzentrieren, auf den Mittelpunkt von Ruhe und Gleichmut in ihrer Seele. Der Duft der Weißdornblüten hing drückend in der Luft. Eine Weile redete sie sich ein, der Geruch wäre der Grund, weshalb sie weniger Luft als sonst zu bekommen schien. Sie versuchte, still sitzen zu bleiben, ohne ihre Finger jedoch daran hindern zu können, immer wieder nervös an ihrer Kleidung zu zupfen.
    Wieso kam er nicht zurück? War er zu weit gegangen und wusste nun in der Finsternis nicht mehr, wo genau sie lagerten? – Eine lächerliche Vorstellung. Nando würde den Weg zurück sogar bei Neumond mit verbundenen Augen finden.
    Er hat seinem König einen Eid geschworen. Er wird ihn nicht verlassen.
    Aber wieso hatte er sie dann überhaupt so weit begleitet? Sumelis hatte in seinen Augen gelesen, dass er sich nicht sicher war über das, was er tat. Dass seine endgültige Entscheidung noch nicht gefallen war. Womöglich war es überhaupt das erste Mal gewesen, dass sie tiefes Unbehagen in ihm gespürt hatte. Zerrissenheit.
    Der Mond stieg immer höher. Irgendwann hielt Sumelis es nicht mehr aus. Obwohl sie wusste, wie dumm es war, erhob sie sich, um in der Nacht nach ihm zu suchen.
    Sie kam nicht weit.
    »Bist du jetzt völlig verrückt geworden?« Nandos Hand schoss aus den nächtlichen Schatten hervor und schloss sich fest um ihren Unterarm. »Willst du dich unbedingt verlaufen?«
    Er musste mit den Pferden außerhalb ihres behelfsmäßigen Lagers in der Dunkelheit gewartet haben, einsam mit seinen Gedanken und einer Entscheidung, die zu fordern sie kein Recht hatte. Vielleicht hatte er sie sogar beobachtet, sie wusste es nicht. Sie war nur froh, dass er hier war, dass sie seinen Griff spürte, die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, und den Sturm, der die Tiefen des erstarrten Meeres seiner Seele aufwirbelte.
    »Nando, ich halte das nicht aus!«, drängte sie, dem Zug seiner Hand folgend, bis sie dicht genug vor ihm stand, um seinen Atem auf ihrer Stirn zu spüren. »Ich bin nicht wie du. Ich muss es wissen! Ich kann nicht …«
    »Was musst du wissen?«
    Sie senkte den Kopf. Niemals hätte sie gedacht, dass es so viel Mut kosten würde, diese einfachen Fragen zu stellen. »Ich muss wissen, ob du bei mir bleiben wirst«, flüsterte sie. »Ob wir zusammen in den Norden zurückkehren werden? Zu meiner Familie. In die Heimat, wo du geboren bist.«
    Sumelis’ Nervosität übertrug sich

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