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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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sie verband und weshalb er das nicht einfach zerstören konnte.
    Sie hatte gefragt, warum. Sie verstünde es nicht. Beinahe hätte sie sich in einem Moment, in dem das Bewusstsein dessen, was gerade geschah, mit brutaler Gewalt über ihr zusammenschlug, an Nando geklammert und gerufen, es sei ihr Fehler. Aber sie tat es nicht. Stolz, die Liebe zu sich selbst oder einfach nur das störrische Erbe ihrer Mutter hinderten sie daran. Es war nicht ihr Fehler, beharrte dieser zähe Kern ihrer Seele, der sich seine Vorstellungen und Träume nicht entreißen ließ. Zumindest nicht der, weswegen Nando sie zurückbrachte – was auch immer jener Grund sein mochte. Sumelis’ einziger Fehler war die Annahme gewesen, Liebe wäre endgültig.
    Nando hatte nichts auf ihr Flehen und Fragen erwidert. Er hatte geschwiegen – die ganze Zeit.
    »Du liebst mich!«, hatte sie, kurz bevor er sie endgültig verließ, geflüstert. Sie hatte nicht geschrien, obwohl ihr nach Schreien zumute war. Daraufhin hatte sich Nando ein einziges und letztes Mal ihr zugewandt. Die grauen Augen wirkten stumpf, beinahe leblos in einem Gesicht, das trotz seiner klaren Linien so schroff schien wie die Gipfel der höchsten Berge.
    »Selbst wenn ich jemandem sagen würde, dass ich ihn liebe, dann deshalb, weil ich es in diesem Moment so empfinde. Und dann weiß ich nicht, ob es in einem Tag oder einem Monat noch genauso sein wird.«
    Oder von einem Herzschlag auf den anderen.
    Sumelis hätte nicht sagen können, ob irgendjemand ihr Verschwinden bemerkt hatte. Aber was zählte das schon? Nando hatte bestimmt eine gute Geschichte parat. Vielleicht hatte er behauptet, sie wäre geflohen. Als Sumelis im Morgengrauen das Loch aufgesucht hatte, das ihr persönlicher Abtritt war, hatte sie einen Mann in der Nähe ihres Zeltes gesehen, einen jungen Krieger, dessen scharfe Augen ihr folgten. Bestimmt eine Wache, ein Aufpasser.
    Es kümmerte sie nicht.
    In der Nacht hatte sie nicht geschlafen. Sie hatte wach gelegen, angezogen, ihr Bündel in Reichweite. Sie hatte gehofft, sie würde Nandos leichte Schritte hören – so sehr, dass sie ein paar Mal hochgeschossen und den Eingang zur Seite geschlagen hatte, weil sie dachte, ihn gehört zu haben. Sie hatte gehofft, er würde sie doch noch holen, seinen Irrtum einsehen –
War es denn ein Irrtum?,
fragte eine zweifelnde Stimme in ihr – und sie fortbringen. Sie mit sich nehmen.
    Es war kein Irrtum. Sumelis wusste nicht, was sonst, aber es gelang ihr nicht, sich selbst zu belügen, zu glauben, es sei alles nur ein Missverständnis, ein falsches Wort, ein falscher Satz zur falschen Zeit. Ein Erschrecken über die eigene Tat. Nando machte keinen Schritt rückwärts, nur weil ein Dorn in seiner Sohle zu eitern begann.
    Es wurde Mittag und die Luft im Zelt stickig. Sie hatte Kopfschmerzen vom Weinen und von zu wenig Trinken, daher zwang sie sich, den Krug mit abgestandenem warmem Wasser neben dem Eingang zu leeren. Die Wache war nirgends zu sehen. Sumelis kroch zurück zu ihrem Lager und vergrub das Gesicht in den Armen.
    Am frühen Nachmittag näherten sich Schritte dem Zelt. Nicht Nandos, das erkannte sie sofort. Der Gang war unregelmäßig, beinahe hüpfend, schwerfällig, obwohl die Person leicht wog.
    »Mir geht es nicht gut!«, rief Sumelis nach draußen, bevor der Krüppel eintreten konnte. »Ich bin krank!«
    »Ich habe Essen für Euch. Und etwas zu trinken.«
    Sumelis fiel das kurze Zögern zwischen den beiden Sätzen nicht auf. Stattdessen stellte sie, sowie sie sich aufsetzte, fest, dass ihr vor Hunger schon ganz schwindelig war. Sie rieb sich über das Gesicht, band ihre Haare nach hinten und trat nach draußen. Vor dem Eingang ließ sie sich im Schneidersitz nieder und nahm ein vollbeladenes Brett aus den Händen ihres Besuchers entgegen.
    »Danke«, murmelte sie.
    Der Krüppel starrte sie an, dann sah er hastig beiseite. »Dies ist nicht Eure Henkersmahlzeit, Herrin«, sagte er. »Boiorix geht es wieder gut. Er plant, noch immer Eure Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er wird Euch nichts … Er wird Euch nicht töten.«
    Sumelis hätte nicht überrascht sein sollen. Natürlich glaubte der Krüppel, ihre verheulten Augen kämen von der Angst, was der Kimbernkönig ihr wohl antun würde, jetzt, da sie ihm gegenüber versagt – mehr noch, ihn in seinen Augen fast getötet – hatte. Sumelis dagegen hatte kaum mehr einen Gedanken an jene Nacht in Boiorix’ Kammer verschwendet. Sie und Nando mussten beide annehmen,

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