Der Fluch der Druidin
hinter sich und ritten auf die Straße zu, die sie am Abend vorher verlassen hatten. Sobald sie sie erreichten, wandte Nando sein Pferd nach links.
»Das ist die Richtung, aus der wir gekommen sind!«, protestierte Sumelis. »Wir müssen nach rechts. Nach Norden!«
»Wir reiten zurück.«
»Was? Was meinst du damit, wir reiten zurück? Wieso?«
Nando drehte sich nicht nach ihr um. Sein Rücken war ebenso aufrecht wie der Schild neben seinem linken Bein. Holz und Eisen, und genauso abweisend.
»Wir reiten zurück.«
»Aber –«
»Ich habe einen Fehler gemacht.«
Marcus Valerius stand mit hinter dem Rücken verschränkten Armen so stramm vor dem Tribun, dass ein Steinhauer ihn für eine seltsame Art von Marmor hätte halten können. Er befand sich außerhalb der Zelte, die das Stabsgelände des Legionslagers bildeten, die nackten Zehen in den festgetrampelten Boden der Hauptachse des Lagers gebohrt. Er hätte nur den Kopf ein wenig drehen müssen, um planmäßig angelegte Unterkünfte der Legionäre, Soldaten beim Reinigen der Straße, ein Lagertor oder gar das Feldherrnzelt zu sehen oder herauszufinden, wer für das Trommeln trabender Pferdehufe in seinem Rücken verantwortlich war. In der Ferne hörte er ein Signalhorn jenen Legionären Befehle erteilen, die außerhalb des Lagers exerzierten, ansonsten lag in der Luft der Rauch von Feuern, an denen Männer ihre Mahlzeiten zubereiteten. Es hätte viel zu bewundern gegeben, hätte Marcus seinem Blick gestattet, sich auch nur einen Fingerbreit von einem Punkt schräg über der Schulter des Tribuns abzuwenden.
Der Tribun legte seinen Schreibgriffel mit einer sorgfältigen Bewegung beiseite, dann verschränkte er die Hände vor sich auf dem Tisch, der sich unter Listen und Plänen aller Art bog. Marcus hatte noch nie so viele Buchstaben auf einmal gesehen, doch da er nicht lesen konnte, sagte ihm das alles herzlich wenig.
»Wie alt bist du, Junge?«
»Sechzehn.«
»Mmh. Eher vierzehn, würde ich sagen.«
Marcus Valerius reckte sein Kinn noch etwas weiter vor, weil er hoffte, es würde dadurch kantiger wirken. Er betete zu Mars, seine Stimme jetzt nicht kippen zu lassen, dann bekräftigte er: »Ich zähle sechzehn Jahre und keinen Sommer weniger!«
»Soso.« Der Tribun kratzte sich an der Wange, und Marcus beneidete ihn um das leicht schabende Geräusch, das dabei entstand. Vielleicht hätte er sich etwas Dreck um den Mund schmieren sollen …
»Selbst sechzehn wäre noch etwas jung. Außerdem scheinst du mir sehr klein. Wie groß bist du?«
»Alle meine Brüder sind in meinem Alter noch einen ganzen Kopf gewachsen. Innerhalb eines halben Jahres!«, fügte Marcus nachträglich hinzu, während er sein Gewicht nach vorne auf die Zehenspitzen verlagerte und den Hals reckte. Jemand gluckste amüsiert.
»Gibt es jemanden, der deine Angaben bestätigen kann, Junge? Von deinem Alter ganz abgesehen?«
»Ich bin mit dem Tross gezogen. Niemand hielt mich dort für zu jung! Dort haben sie auch meinen Namen und Angaben über meine Familie. Mein Onkel dient als Wagner im Offizierstross. Er kann alles bestätigen.«
»Der Offizierstross, hmm? Der steht doch noch zum größten Teil auf der anderen Seite des Padus’. Du bist ein Maultierjunge?«
Irgendeiner der Umstehenden lachte. Marcus schoss die Röte ins Gesicht, denn er glaubte, die Männer machten sich über ihn lustig. »Die Maultiere scheinen mich nicht zu mögen«, sagte er steif. »Sie beißen mich immerzu. Sie sind ebenfalls der Meinung, ich wäre ein besserer Legionär als Maultiertreiber!«
Der Tribun blinzelte. Bestimmt hielt er Marcus für vorlaut, dabei war dieser nur der siebte Sohn eines römischen Zimmermanns und als solcher gewohnt, sich mit ganz gleich wie seltsamen Argumenten gegen seine großen Brüder zu wehren, die gerne ihre Arbeit auf ihn abwälzten. Seine Mutter hatte ihn in Schutz genommen, wann immer es ging, aber mit acht Söhnen konnte sie nicht überall sein, und so hatte Marcus früh gelernt, Arbeiten zu erledigen, die eigentlich für die älteren Söhne des Zimmermanns gedacht waren. Der Gedanke an seine Mutter erfüllte Marcus mit einem vagen schlechten Gewissen. Ob sie wohl Verständnis für seine Gründe hatte, die ihn im Frühjahr dazu verleitet hatten, davonzulaufen? Bestimmt, schließlich hatte er sie oft mit seinem Vater darüber sprechen hören, welche Zukunft die jüngeren Söhne wohl erwarten würde – ohne Besitz, ohne eigenes Geschäft, mit nichts als Unsinn im
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