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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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Kopf und ständig übersät mit blauen Flecken dank täglicher Prügeleien. Marcus war ihr Liebling gewesen. Er hatte sich stets, wenn auch meist erfolglos, bemüht, ihr keinen Kummer zu bereiten. Sogar in jener Nacht, in der er sich aus der kleinen Kammer, die er mit fünf seiner Brüder teilte, nach draußen stahl, um dem Ruhm der Legionen nachzurennen, hatte er seine Decke sorgfältig zusammengelegt – ein Dreieck, an den Spitzen nach innen geschlagen, wie seine Mutter es ihm beigebracht hatte – und wie jeden Morgen zwei Eimer frischen Wassers vom Brunnen den langen Weg in den Hof geschleppt. Wenn seine Mutter am Morgen erwachte, würde sie sich vielleicht grämen, weil sie für einen Sohn weniger kochen musste, aber immerhin würde sie den Tag nicht mit Rückenschmerzen beginnen müssen. Außer davonzulaufen war dies das Einzige, was Marcus für sie tun konnte.
    Während Marcus Valerius das Kreuzverhör des Tribuns über sich ergehen ließ, hatte sich von hinten Hufgetrappel genähert. Die Geräusche des Lagers waren verstummt, dagegen erschollen jetzt vereinzelte Rufe. Marcus hätte sich gerne umgedreht, um nachzusehen, was hinter ihm geschah, doch er wollte vor dem Tribun nicht wie ein neugieriges Kind wirken. Daher blieben seine Augen weiterhin starr geradeaus gerichtet, auf die hinter dem Tisch in die Luft ragende silberne Adlerstandarte. Der Anblick der ausgebreiteten Schwingen über dem stolz vorgereckten Kopf, der starken Klauen mit Jupiters Blitzbündel in ihnen, erfüllte Marcus erneut mit dem Ruf seiner Bestimmung, derselben Anziehungskraft, die er spürte, seit er das erste Mal gehört hatte, das römische Heer nehme nun auch besitzlose römische Bürger,
capite censi,
in seine glorreichen Reihen auf und versorge sie mit allem, was ein Legionär benötigte – jetzt und für immer.
    Der Tribun schien glücklicherweise mehr verblüfft denn verärgert. Marcus glaubte, ihn fast schmunzeln zu sehen.
    »Wieso bist du so nass, Junge?«
    »Ich bin durch den Fluss geschwommen.«
    »Du bist was? Durch den Fluss geschwommen? So wie du hier vor mir stehst?«
    »Ja, Tribun.«
    »Du kannst also gut schwimmen?«
    Marcus hielt das angesichts des Offensichtlichen für eine dumme Frage, aber das sagte er dem Tribun nicht. Stattdessen antwortete er: »Ich wollte nicht mehr bloß Maultiere führen. Ich wollte zum Heer – als Legionär! Ich habe meine Sandalen bei der Durchquerung des Flusses verloren. Das ist alles.«
    Die Augen des Tribuns und eines halben Dutzends herumstehender Soldaten richteten sich auf Marcus Valerius’ nackte Füße, die so schmutzig waren, dass man nicht einmal mehr den Ansatz der Zehennägel erkennen konnte. Wieder lachte einer von ihnen, doch diesmal war es ein eindeutig gutmütiges Lachen, das abrupt verklang. Plötzlich nahmen alle Haltung an.
    »Dreh dich um, Junge!«
    Gehorsam folgte Marcus dem Befehl. Ein Reiter, flankiert von einem Dutzend weiterer, hatte vor ihm angehalten: ein Mann, dessen Haar an den Ansätzen zurückwich, mit stechenden Augen unter einer von drei senkrechten Falten geteilten Stirn und einer weißen, von einem breiten Purpurstreifen eingefassten Toga. Der Blick des Offiziers ging über Marcus hinweg und richtete sich auf den Tribun, der aufgestanden war und Haltung angenommen hatte.
    »Die Ausrüstung!«, war alles, was der edel gewandete Reiter sagte. Sofort rannte ein Legionär los, um wenig später eine metallene Trinkflasche, Kochgeschirr und einen Beutel voll mit Getreide – einer Ration für mindestens drei Tage – herbeizuschleppen. Andere taten dasselbe mit Pickaxt, Seil und Säge für Schanzarbeiten, sogar eine schmutzige Tunika flog herbei und landete auf einem ungeschmückten Helm. Ein Zenturio lehnte seinen Gladius an den in die Höhe wachsenden Haufen, ein Legionär sein Pilum, gefolgt von einem ovalen Schild, Dolch, Beinschienen und Kettenhemd. Nach kurzem Zögern bückte er sich und legte seine Sandalen obenauf.
    Der Reiter deutete auf den Haufen. »Kannst du das alles einen ganzen Tag lang im Eilschritt tragen, Junge?«
    Marcus musterte das Sammelsurium vor ihm, das mindestens so viel wiegen musste wie sein kleiner Bruder. Kurz darauf zuckte er mit den Achseln. »Natürlich kann ich das. Und das Maultier, das das Zeug eigentlich tragen sollte, gleich noch dazu!«
    Zum dritten Mal hörte er einen Soldaten auflachen, doch niemand fiel mit ein. Der Reiter mit der weißen Toga hatte die Augenbrauen in die Höhe gezogen, bis die Stirnfalten

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