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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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und Viriotali wünschte sich beinahe, es würde ihm dieselbe Gnade gewährt werden, die Sumelis wohl gerade wieder genoss: den Saft des Mohns. Schmerzen vergessen. Dämmern. Träumen. Viriotali hatte immer gerne geträumt. Im Traum war er stets groß und stark gewesen. Ein Held. Ein Retter, der niemals versagte.
    »Nun?«, hakte Boiorix geduldig nach.
    Lediglich Boiorix’ vorgebliche Geduld versprach noch mehr Gefahr als sein Spott. Der Krüppel fällte seine Entscheidung.
    »Ich wollte Sumelis fortbringen, damit sie mir vertraut«, behauptete er und zwang sich dabei, dem König in die hellen Augen zu blicken, obwohl ihm allein bei dem Blickkontakt der kalte Schweiß ausbrach. »Ich dachte, sie würde mir ihr Geheimnis verraten, Seelen zu sehen.«
    »Schwachsinn!« Die Stimme des Königs wurde nicht einmal lauter. Stattdessen verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich mit dem Rücken gegen seinen hochgewachsenen Hengst. Das Tier, in voller Pracht gezäumt und mit in die Mähne geflochtenen länglichen Knochenamuletten, drehte den Hals und bleckte die Zähne. Fast erweckte es den Eindruck, als würde es sich auf menschliches Futter freuen. »Belügt mich nicht, Zwerg! Sonst nehmt Ihr Euch die letzte Chance, mir einen Grund zu geben, Euch nicht sofort zu töten.«
    »Nein, Herr! Ich, ich wollte wirklich ihr Geheimnis erkunden, das müsst Ihr mir glauben! Es gibt einiges, was Ihr nicht wisst, mein König!«
    »Was Ihr mir vorenthalten habt?«
    Der Krüppel zögerte.
    »Spuckt es aus! Vielleicht verschone ich Euch dann!«
    Scham beherrschte Viriotalis Gedanken, wenn auch nicht seine Zunge:
Ich verkaufe meine Seele für das Leben in diesem armseligen Körper. Wieso kann ich nicht den Mut aufbringen und ehrenvoll sterben?
    »Nando hat mit Sumelis gelegen.«
    Die hastig hervorgestoßenen Worte erfüllten jedoch nicht ihren erwünschten Zweck. Boiorix blieb unberührt.
    »Und? Soll er, was kümmert mich das? Offenbar hat es ihn nicht sonderlich beeindruckt, meint Ihr nicht auch? Nando hat immerhin nicht versucht, sie heimlich fortzubringen – im Gegensatz zu Euch, Geisel!«
    Der Krüppel öffnete den Mund, hustete und schloss ihn wieder. »Es gibt da noch etwas, was Ihr nicht wisst«, krächzte er endlich. »Anfangs dachte ich, es sei nicht wichtig, aber ich habe mich mit Sumelis unterhalten. Sie schien …«
    »Fasst Euch kurz, denn falls es Euch entgangen sein sollte: Es gibt da einen Krieg, der meine Aufmerksamkeit erwartet!«
    »Sumelis ist Carans Enkelin. Erinnert Ihr Euch an Caran? Den Herrn von Alte-Stadt, Fürst der Vindeliker? Jedenfalls, Caran hatte eine Tochter: Talia. Talia ist Sumelis’ Mutter. Ich habe gehört, sie wäre –«
    Boiorix’ Schlag hob den Krüppel hoch und wirbelte ihn wie einen Sack Mehl durch die Luft. Viriotali schlug hart auf dem Boden auf. In seiner Brust knackte es, Funken irrlichterten vor seinen Augen. Der Aufprall presste ihm den Atem aus den Lungen, und einen Moment lang dachte er, er würde jetzt, in diesem Augenblick, sterben. Einfach so. Unbemerkt, bedeutungslos.
    »Wieso habt Ihr mir das nicht schon früher erzählt, Ihr Narr?« Einen Moment lang war das Gesicht des Königs verzerrt, dann glättete es sich unvermittelt wieder. Vielmehr runzelte er ganz leicht die Stirn. Langsam, beinahe verwundert, sank seine Faust herab.
    Ächzend zog sich Viriotali in eine sitzende Position. Er krabbelte rückwärts, fort aus Boiorix’ Reichweite, dabei schien ihn der Kimbernkönig vorübergehend vergessen zu haben. Mit der Zungenspitze fuhr der Krüppel über einen lockeren Zahn in seinem Mund, spuckte rosigen Speichel aus. Indessen ging Boiorix’ Blick einfach durch ihn hindurch, untypisch in sich gekehrt. Seine Lippen bewegten sich mit den rasenden Gedanken. Der Krüppel befühlte seinen schwellenden Kiefer und wimmerte vor Angst.
    »Niemand weiß davon?«, forschte Boiorix schließlich gedehnt nach. »Ihr habt es niemandem sonst erzählt? Rascil, Nando?«
    »Nein! Wenn ich es Euch doch sage! Das heißt, Nando, natürlich, vor dem Winter. Er musste es ja wissen, um Sumelis zu finden. Er musste wissen, dass er nach Carans Tochter oder Enkelin suchte – den mächtigsten Zauberinnen der Vindeliker.«
    »Ich verstehe.«
    »Ich weiß, ich hätte es Euch früher sagen sollen, Herr. Carans Enkelin. Wie viel wertvoller sie das für Euch macht!«
    »Nun, zugegeben, die Vindeliker liegen schon weit hinter uns. Und mit Rom vor uns, wer würde sich da noch für Alte-Stadt

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