Der Fluch der Druidin
überqueren, und die Böschung auf der anderen Seite raubte ihm den Rest seiner Kräfte. Er brach in die Knie.
Sumelis ließ ihn liegen, wo er gefallen war. Sie rannte zu den Taschen hinüber und kramte fieberhaft nach dem Feuerzeug und der Schweinsblase, die den Zunderschwamm enthielt. Es dauerte, bis es ihren zitternden Händen gelang, ein Feuer zu entzünden. Während sie darauf wartete, dass die Flammen heißer wurden, eilte sie zurück zu Nando, der sich mit schweißüberströmtem Gesicht näher schleppte. Er hatte die rechte Hand, die das Messer geführt hatte, im Bach gereinigt. Jetzt drückte er sie auf die Wunde in seiner linken Schulter, doch ohne Erfolg. Noch immer rann Blut zwischen seinen Fingern hervor und durchweichte den Hemdstoff. Sumelis half ihm, sich neben das Feuer zu setzen, bevor sie begann, ihm das Hemd vom Körper zu schneiden.
»Das Messer, Sumelis«, verlangte er stockend. »Erhitze es jetzt! Ich will nicht warten. Ich kann spüren, wie die Tollgeister mein Blut vergiften. Schnell, sonst ist es zu spät!«
Sumelis schüttelte den Kopf. »Erst die Wunde in der Schulter, sonst verblutest du noch!«, entschied sie. Sie legte das Messer in die Glut, griff nach ihrem Wasserschlauch und goss einen Schwall über den Einstich in Nandos Rücken. Jetzt konnte sie erkennen, dass der Dolch schräg in seinen Körper eingedrungen war, tief genug, um Muskeln und Adern zu verletzen. Ein weiterer Schwall Wasser, und es bildete sich eine hellrote Pfütze zu ihren Füßen. Nando drehte sich ein wenig und packte Sumelis’ Handgelenk.
»Gib mir das Messer! Jetzt!«
Abermals schüttelte sie den Kopf. Sie befreite sich problemlos aus seinem Griff, umfasste das Messerheft und zog das heiße Eisen aus der Glut. »Beweg dich nicht!«
Es zischte leise, als sie das glühende Messer auf die Wunde setzte, dann der widerlich süße, rauchige Gestank verbrannten Bluts und verschmorender Haut.
Nando brüllte auf. Er kippte nach vorne, wo er still liegen blieb. Die Blutung versiegte.
Sumelis weinte vor Erleichterung. Sie hielt das Messer erneut ins Feuer, bevor sie es ein zweites Mal gegen die Wunde presste, bis sie sicher war, die gesamte Stelle ausgebrannt zu haben. Gegen heftigen Brechreiz ankämpfend, griff sie nach Nandos Arm und brannte auch die Bisswunden aus, vertrieb alle Dämonen, die sich in das Fleisch gebohrt haben mochten auf der Suche nach einer Seele, die sie befallen und zerstören konnten. Sumelis benutzte das glühende Eisen großzügig im Wissen, Nando würden die Narben nicht stören und dass er es nicht anders gewollt hätte. Erst, als sie fertig war und den penetranten Gestank der verbrannten Haut nicht mehr ertragen konnte, schleuderte sie das Messer von sich, zerrte sich die blutgetränkten Kleider vom Leib, warf sie in die Flammen und übergab sich neben die Feuerstelle.
3 . Kapitel
W ieso bist du geblieben?«
Nichts in Sumelis’ Haltung ließ erkennen, dass sie ihn gehört hatte. Dabei war es das erste Mal, dass Nando sprach, seit sie seine Wunden versorgt hatte. Sie saß mit dem Rücken zu ihm, den Blick auf das Waldstück geheftet, in dem sie beinahe gestorben war. Sie konnte nicht einmal wissen, dass er wach und bei Bewusstsein war, denn Nando hatte sich nicht bewegt. Er hatte lediglich die Augen geöffnet, und sein zunächst noch verschwommener Blick hatte ihren Rücken getroffen, den zur Seite geneigten Kopf und die nach hinten gestreckten Arme, die den Oberkörper stützten. Die Sonne brach sich auf ihrem Haar, das so geschmeidig schimmerte wie an dem Tag, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Sie hatte es gewaschen und, so vermutete er, wahrscheinlich Hunderte Mal gekämmt. Sie hatte auch ihre Beinlinge und ihre Bluse geflickt und sich aus seinem Ersatzhemd eine Art Tunika gefertigt, die ihr, obwohl sie nicht viel kleiner war als er, bis an die Oberschenkel reichte. Ein Lederband hielt das Hemd um ihre Taille zusammen. An ihm befestigt baumelte Nandos Messer. Seine restlichen Waffen lagen säuberlich gestapelt neben seinem Kopf am Eingang des Unterstands, den Sumelis um ihn herum errichtet hatte.
Sumelis hatte Nando, nachdem sie ihn versorgt hatte, zu dem umgestürzten Baumstamm geschleppt, der nun die Rückwand der provisorischen Schutzhütte bildete. Sie hatte ihm ein Bett aus trockenen Zweigen und Blättern gemacht, das die Kälte und Feuchtigkeit des Bodens abhielt. Später hatte sie Äste schräg über Nandos Körper hinweg gegen den Stamm gelehnt, ein Gerippe, das von
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