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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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sagte sie langsam, »versprichst du mir dann, dass mir dort, wo du mich hinbringst, nichts geschehen wird? Dass mich kein Leid erwartet und dass ich zu meiner Familie zurückkehren werde?«
    »Das verspreche ich dir.« Nandos Gesicht war ernst. Er antwortete, ohne zu zögern. »Ich verspreche dir, dich wird kein Leid erwarten, nur die Ehre und Dankbarkeit eines Königs.«
    »Die Ehre und Dankbarkeit eines Königs bedeuten mir nichts.«
    Verwunderung huschte über seine Züge, und er runzelte die Stirn. »Das sind die Dinge, für die ich lebe!«
    »Ich lebe für etwas anderes.«
     
    Eigentlich hatte Talia vermutet, sie würde keinen Blick übrighaben für die Stadt, die sie vor zehn Jahren – für immer, wie sie damals geglaubt hatte – verlassen hatte. Den ganzen Weg aus dem Norden bis nach Alte-Stadt, die endlosen Tage auf dem Pferderücken, als die Welt wie durch Eiszapfen betrachtet an ihr vorbeigeglitten war, verschwommen und belanglos in ihren Einzelheiten, waren ihre Gedanken nur auf Sumelis gerichtet gewesen. Atharic und sie hatten wenig gesprochen – Talia, weil sie am Abend nach einem anstrengenden Ritt zu müde gewesen war, zu zerschlagen und zu wund geritten, um nachts eine bequeme Stellung zu finden, geschweige denn in der Lage zu sein, normale Gespräche zu führen, Atharic, weil er wusste, wann er sie besser in Ruhe ließ. Jetzt jedoch konnte Talia nicht anders, als die Neugierde zuzulassen, die der Anblick der weißgetünchten Häuser, des Heiligtums, in dessen Grabengeviert Regenwasser stand, und des offenen Platzes, wo früher die Statue der Pferdegöttin gestanden hatte, in ihr weckte. Caran erzählte, als sie an dem leeren Sockel vorbeiritten, die Druiden hätten die Statue bereits vor Jahren entfernt und sie stünde nun mitsamt einer kleineren eisernen Kopie in einem eigenen Rundtempel, und gemeinsam erinnerten sie sich an den Moment, als er selbst zu Füßen der Statue gelegen hatte, halb verblutet, und es nur Talias Gabe, Wille und Liebe zu ihm gewesen waren, die ihn vor dem Tod bewahrt hatten.
    Während sie entlang der rechtwinklig angelegten Straßen, vorbei an großzügig umzäunten Gehöften weiterritten, lauschte Talia Carans Berichten über die Stadt und ihre Bewohner mit wachsendem Interesse. Zwischen Ablehnung und einem unvermuteten Gefühl von Heimat schwankend – die vertraute Sprache, mit der sie aufgewachsen war, die bunten Kleider, wogegen die Tracht des Nordvolks fad wirkte, dazu die noch lebhafteren Erinnerungen, gute wie schlechte –, kam ihr die Stadt mal wie eine Schlange vor, deren schuppige Windungen sie sicher im Inneren bargen, dann wieder wie ein Monster: ein vielköpfiger Drache aus kleingeistigen, ängstlichen und in ihrer Dummheit und Falschheit gefährlichen Wesen, die zunächst Talia vertrieben hatten und ihr jetzt die Tochter stahlen. Im Grunde konnte jedes der Gesichter, die sie passierten, dabei geholfen haben, Sumelis zu entführen – aus welchen Motiven auch immer. Und als sie so zwischen den Bewohnern der Stadt einherritt und still fragte:
Warst du es? Hast du geholfen, mein Kind zu entführen? Oder du? Weißt du etwas?,
da erst wurde Talia wirklich bewusst, dass ihr Zuhause nun im Norden lag, bei ihren zwei jüngeren Kindern, ihren Freunden und Atharics Verwandten – dort, wohin sie Sumelis wieder zurückbringen würde.
    Wir dachten, wir könnten in zwei Welten leben – in der meines Vaters, meines Volkes, in das ich geboren bin, und in der Welt Atharics, die wir uns gewählt haben. Aber so funktioniert das Schicksal nicht. Die Götter sind eifersüchtig. Sie lassen nicht gerne andere neben sich Platz nehmen. Und sie sind nachtragend: Sie sorgen dafür, dass uns das, was wir glauben, hinter uns gelassen zu haben, wieder einholt. Immer. Am Ende muss sich die Schlange in den eigenen Schwanz beißen.
    Glücklicherweise regnete es, und so fiel niemandem auf, dass Carans Begleiter ihre Kapuzen tief in die Stirn gezogen hatten und die Köpfe gesenkt hielten. Trotzdem drehten sich einige Leute neugierig nach ihnen um, denn die erschöpften, vom Matsch der Straßen bedeckten Pferde und ihre nicht minder abgerissen wirkenden Reiter bildeten einen krassen Gegensatz zu Carans elegant gekleideter Erscheinung und seinem gepflegten, munter tänzelnden Schimmel.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass ihr es so schnell schafft«, bemerkte Caran an Atharic gewandt, sowie sie in die Straße bogen, die zu Carans Gehöft führte. »Es ist immerhin eine große

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