Der Fluch der Druidin
weiß auch, um welchen Druiden es sich handelt. Er gehört nicht zu Ientus’ alten Anhängern, aber er war vor zehn Jahren bereits hier. Bestimmt weiß er alles über dich und Sumelis, was er meint, wissen zu müssen.«
»Du hast nicht mit ihm gesprochen?«
»Doch natürlich, allerdings hat er sich dumm gestellt, und mein Spion im Heiligtum wusste ebenfalls nichts von Sumelis oder von irgendwelchen versteckten Unternehmungen zu berichten. Es war alles sehr seltsam, so als wäre das Mädchen von einem Geist entführt worden. Ich meine, was hätte ich tun sollen? Ihn foltern? Er ist ein Druide!«
»Dann werde ich mit ihm sprechen.«
»Ich dachte mir schon, dass du das vorschlagen würdest, Talia.« Caran verschränkte seine Finger und dehnte sie, bis die Knöchel knackten. »Zufällig weiß ich auch, wo er morgen Nachmittag sein wird. Es wird kein Problem sein, ihn abzupassen.«
»Was hast du vor?«, fragte Samis ihre Schwester.
»Herausfinden, wozu ich fähig bin.«
Es war ein Kinderspiel, den Druiden auf dem Weg vom Heiligtum zum Hafen abzupassen. Atharic sprach ihn an und lockte ihn unter einem Vorwand in ein Lagerhaus, dessen Tür sofort hinter ihnen zufiel und das Tageslicht und das Hämmern naher Zimmerleute ausschloss. Beim Knall der zuschlagenden Tür wirbelte der Druide herum, nur um sich Auge in Auge mit der Spitze von Atharics Dolch wiederzufinden.
»Warum setzt Ihr Euch nicht?«, forderte Atharic seinen Gefangenen freundlich auf. »Meine Frau wird sofort bei Euch sein.«
»Eure Frau?«, stotterte der Druide verständnislos schielend, da er den Blick nicht von der Waffe vor seinem Gesicht lassen konnte.
»Oh, ich bin sicher, Ihr werdet Euch noch an sie erinnern.« Atharic drückte den schmächtigen Mann mit den grauen Haaren und braunfleckigen Zähnen auf einen Hocker an der Wand. Dabei schlug ihm der faule Atem des Mannes ins Gesicht, trieb ihn mit bebenden Nasenflügeln einen Schritt zurück. Unterdessen öffnete sich die rückseitige Tür der Lagerhalle und ließ Talia herein. Zunächst hoben sich nur ihre Umrisse vor dem Tageslicht ab, dann, da sie mit zielstrebigen Schritten das leere Gebäude durchquerte und sich neben Atharic stellte, schälte sich ihr Antlitz aus der Düsternis. Der Druide fuhr bei ihrem Anblick sichtbar zusammen.
»Ich sehe, Ihr erkennt mich, Druide. Sehr gut. Das wird die Angelegenheit verkürzen. Euer Name ist Suagrius?«
Belustigt beobachtete Atharic, wie der Druide erst den Kopf schüttelte, dann nickte, so als wäre er auf einmal nicht mehr sicher, wer er war. Wo war jetzt die vielgerühmte Redegewandtheit der Druiden geblieben? Suagrius konnte den Blick nicht von Talias Gesicht wenden, von ihren berühmten goldenen Augen, die im Licht zweier Fackeln wie aus der Erde geborenes Feuer funkelten.
»Suagrius, ich habe keine Lust, meine Zeit zu verschwenden. Ihr wisst, wer ich bin. Ihr wart dabei, als ich Dago tötete, nicht wahr? Ihr kennt das Ausmaß meiner Macht. Ihr versteht also, wozu ich fähig bin.« Talia beugte sich vor. Ihr vor Anspannung zitternder Körper strahlte eine solch unterdrückte Wut aus, dass selbst Atharic bereit war zu glauben, sie wäre in diesem Augenblick zu allem fähig. Der Druide tat ihm beinahe leid.
»Sagt mir, was Ihr mit meiner Tochter gemacht habt!«
»Eure Tochter?«, quiekte der Druide. »Ich weiß nichts von Eurer Tochter! Ich …«
»Wagt es nicht, mich anzulügen!«
»Aber wenn ich Euch doch sage, ich weiß nicht das Geringste!«
»Reizt mich nicht, Druide! Ihr könnt davon ausgehen, dass Ihr aus gutem Grund in dieser misslichen Lage seid. Also, wo ist meine Tochter?«
»Ich habe sie nicht entführt!«
»Woher wisst Ihr, dass sie entführt wurde?«
»Ich, ich … Ich weiß nichts!«
Talia streckte beide Hände aus und legte sie auf Suagrius’ Schläfen. »Ich kann Eure Seele wie eine Raupe zerquetschen«, flüsterte sie, »und ich werde es tun! Aber nicht, bevor ich …«
»Ich werde Euch alles sagen!«, kreischte Suagrius auf. »Lasst mich …«
Er versuchte, aufzustehen, sich aus Talias Berührung zu befreien, aber Atharic drückte ihn sofort wieder auf den Hocker zurück. Er war verblüfft, wie schnell der Druide einbrach. Nutzte Talia ihre Gabe, um ihn zu beeinflussen? Um seine Angst zu schüren? Oder saß die Furcht vor Talias geheimnisvoller Macht so tief, dass zehn Jahre in einem Atemzug verschwanden? Ientus’ alte Schauergeschichten, das Bangen um die eigene Seele, die plötzlich so verletzlich und in
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