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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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ändert sich auch die Welt der Menschen,
dachte Nando, ohne zu wissen, woher diese Gedanken kamen. War es die Magie des Opfers, die in seinem Kopf sprach?
Götter stürzen wie Könige. Wähle weise, Mensch, denn Blut ist dicker als Wasser …
    Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Boiorix ihn seltsam ansah, und beeilte sich, sich dem Eid anzuschließen, der den Göttern ihren Lohn versprach.
    »Wirst du heute meinen Rücken decken, Nando?«
    »Immer, mein König.«
    »Dann komm jetzt! Ein Sieg wartet auf uns!«
    Und so stürmten sie los.
    Am Ende dieses Tages hatte sich die Prophezeiung der Priesterinnen tatsächlich erfüllt: Die Kimbern hatten die Schlacht bei Arausio gewonnen. Sie hatten die römischen Armeen bis auf den letzten Mann vernichtet, die Legionen ausgelöscht und den Stolz und die Arroganz des Römischen Reiches aus den Liedern der Barden für immer getilgt. Das Blut der Legionäre hatte die gallische Erde getränkt, bis sie keinen Tropfen mehr aufnehmen konnte, begleitet von den Schlachtgesängen der Kimbern und ihrer Verbündeten. Ihr Triumphgeheul hatte sogar die Raben von den Leichen vertrieben, die, angelockt von dem Versprechen einer reichhaltigen Mahlzeit, zwischen den Gefallenen herumhüpften und nach allem pickten, was sich nicht mehr bewegte. Die Sieger hatten die Schlachtbeute dem Fluss geopfert und die Gefangenen an Bäumen erhängt, Opfer für Tiwaz, ihren höchsten Gott, und einen anderen, aufstrebenden: Wodan, den viele den Rabengott nannten. Für Nando war dieser Name ein ganz persönlicher ironischer Witz, dennoch war es dieser Gott, den auch er auf den Lippen trug, als er zwischen Leichen und Bäumen umherwanderte und jene tötete, für die an den Ästen kein Platz mehr war oder die so schwer verwundet waren, dass die Priesterinnen sie als Opfer ablehnten. Am Ende war seine Kleidung steif gewesen vom getrockneten Blut, das nicht seines war, und er hatte sein Hemd mit einer Schere von sich abschneiden müssen. Fliegen hatten ihn umschwirrt, als wäre er selbst eine Leiche, die ihnen Nahrung bot. Ein Toter, der unter Toten wandelte und meinte, über sie zu herrschen – die einzige Herrschaft, für die er geschaffen schien. Und so wedelte er die Fliegen nicht fort. Er ließ zu, dass sie sich auf ihm niederließen, auf seinen Schultern, in seinen Haaren, brummende, kitzelnde Berührungen, kurze Grüße an einen, den sie kannten, der wie sie das Feuer meiden musste, wollte er sich nicht verlieren und in seinem flammenden Kern verbrennen …
    »Was auch immer du tust, tu es nicht!«
    Die sanfte Stimme ließ ihn aus dem Traum hoch- und abrupt herumfahren, eine Hand bereits am Griff seines Dolchs. Sumelis schreckte bei der heftigen Bewegung zurück, soweit ihr das in der Enge des Unterstands überhaupt möglich war. Dabei war es nur ihr Oberkörper, der sich unter das schräge Dach geschoben hatte, um nach ihm zu sehen, der Rest ihres Körpers blieb im Freien. Nando atmete tief durch und ließ sich wieder zurückfallen. Ein Blatt löste sich von den Ästen, die das Dach bildeten, und rieselte auf ihn herab.
    »Was meinst du?«
    »Schatten.« Trotz der Dunkelheit spürte er die warme Last ihrer Augen auf sich ruhen. Ihre Finger berührten ganz leicht seine Schulter, nicht mehr als der Hauch einer Verbindung. »Wie ein Sturm, der sich über einem grauen Meer zusammenzieht, seine Oberfläche kräuselt, Wellen aufwirft, finstere Wolken.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich kann es nicht besser erklären. Das ist es jedenfalls, was ich sehe, wenn ich dich jetzt anschaue. Deine Seele.«
    »Das ist nicht meine Seele. Das sind nur Erinnerungen.«
    Ihre Zähne blitzten auf, aber es war ein trauriges Lächeln. Sie begann, sich zurückzuziehen, zu ihrem eigenen Unterstand und einem Bett aus Zweigen, Blättern und Gras. »Erinnerungen an deine Taten?«
    »Ja.« Er wusste nicht, weshalb er ihr überhaupt antwortete. Vielleicht weil er nicht wieder schlafen wollte – nach all den Tagen, die er bereits vertrödelt hatte, war er es leid zu schlafen –, selbst wenn das bedeutete, dass er sich mit Sumelis über das, was sie seine Seele nannte, unterhalten musste. Ein Thema, von dem er, nachdem er ihr die Haare abgeschnitten hatte, gehofft hatte, es sei erledigt.
    »Erinnerungen an einen Sieg.«
    »Seltsam.« Ihre Stimme wurde leiser, während sie sich weiter zurückzog und sich draußen aufrichtete. Nando musste sich anstrengen, um ihre Worte überhaupt zu verstehen. »Ich kenne sonst keinen Mann, der

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