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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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Himmel richteten. Nur eine Stimme störte die Harmonie, eine, die viel zu laut war für ihr Gesangsvermögen, die anderen dennoch übertönte, den Gebetsfolgen immer einen dissonanten Schritt voraus. Sie gehörte Rascil, einer der ranghöchsten Priesterinnen, deren Haare vorzeitig ergraut waren und sie älter wirken ließen, als sie an Jahren war. Die langen, im Sonnenlicht silbernen Strähnen verliehen ihr eine Respekt gebietende Ausstrahlung, die ihre frühere scharf gezeichnete Schönheit nicht gehabt hatte, und sie nutzte diese Ausstrahlung gut. Stolz und aufrecht wie ein Schwert in Kleidern und genauso gierig nach Blut, schien ihr Ehrgeiz grenzenlos, einzig noch übertroffen von ihrem Hochmut. Nando traute ihr nicht, aber er wusste, sein König brauchte sie: Rascil war seine Klinge unter den Priesterinnen. Sie stützte seinen Anspruch als Heerkönig, mehr noch, als Herrscher über den gesamten Stamm. Dabei ließ Rascil keine Gelegenheit aus zu betonen, Donar selbst wäre ihr in einem Traum erschienen, ein gewaltiger donnernder Krieger, der Boiorix seinen Abkömmling nannte. Ein Geschenk seiner Lenden, Fleisch von göttlichem Fleisch. Dieser Traum hatte die meisten von Boiorix’ Kritikern im Zug für immer verstummen lassen, denn schließlich legte sich niemand gerne mit den Göttern und ihren Auserwählten an. Wenn Boiorix’ Mutter in der Nacht seiner Zeugung mit Donar selbst gelegen hatte, so murmelte man, konnte es nur göttlicher Wille sein, dass der Stamm ihm folgte. Niemandem sonst Rechenschaft schuldig, waren es somit einzig die Priesterinnen, die über des Königs Handeln richten konnten, und diese waren es auch, die zugleich von seinen Siegen profitierten wie niemand sonst. Es war nicht ganz klar, wer wen in dieser Beziehung am meisten ausnutzte, doch Nando vermutete, dass Rascil und Boiorix sich in nicht viel nachstanden, und konnte nicht umhin, die Weitsicht seines Königs zu bewundern, die ihm die Herrschaft sicherte. Nando selbst würde eine Frau wie Rascil niemals in seiner Nähe ertragen, ganz gleich, wie nahe sie den Göttern stand und ob seine Abneigung ihn das Königtum kosten konnte. Diese vorausschauende Größe, dieser unbedingte Wille zur Macht, der Boiorix antrieb und ihn zum Anführer von Heer und Stamm machte, war etwas, was Nando nicht besaß und niemals besitzen würde. Sein Platz war einen Schritt dahinter, eine Verlängerung des königlichen Arms, Schwerts und Schilds, die größte Ehre, die einem Mann zuteilwerden konnte.
    Nando stieß Scaurus vor dem Kessel zu Boden. Im Fallen schlug der Römer mit dem Kopf an eine mit bronzenen Beschlägen versetzte Truhe neben dem metallenen Gefäß und blieb reglos liegen. Rascil stupste Scaurus mit ihren bemalten Zehenspitzen an, dann warf sie einen Blick unter gesenkten Lidern auf Nando.
    »War das etwa Absicht?«
    Nando erwiderte den Blick ungerührt.
    »Nun gut.« Rascil beließ es dabei, obwohl ihr schneidender Tonfall ihre Missbilligung verriet. »Dann wird er eben ohnmächtig sein, wenn er den Göttern geopfert wird. Wie gnädig von dir.«
    »Soll ich ihn für Euch töten?«
    »Noch mehr Gnade? Du schließt schnell Freundschaften, Nando. Schneller, als für dich gut ist.« Sie wartete, ob ihr Spott Wirkung zeigte, doch als Nando nur weiterhin ausdruckslos an ihr vorbeischaute, gab sie nach. »Keine Angst, Nando. Dein Römer wird eines ehrenvollen Opfertods sterben. Ein Stich ins Herz, ein Schnitt in die Kehle, und sein Blut wird diesen Kessel füllen und Boiorix’ Sieg verkünden. Du kannst gehen.«
    Also ging er. Später stand er neben seinem König und beobachtete, wie die Priesterinnen den Ausgang der Schlacht aus dem Blut, das aus den Kehlen ihrer Gefangenen in den Kessel strömte, vorhersagten. Scaurus war das erste Opfer an diesem Tag. Nando war froh, dass der Legat keines schlechten Todes starb, und er wusste, sein König empfand genauso. Boiorix wusste Mut und Ehre in seinen Feinden zu schätzen.
    Die Priesterinnen prophezeiten, die Kimbern würden die Schlacht gewinnen, und gelobten, die Schlachtbeute dieser Tage als Dank für einen überwältigenden Sieg den Göttern zu opfern. Jeder Mann, der das Gelöbnis hörte, musste es wiederholen, und wie ein Wispern setzte es sich in den Reihen fort, ein Versprechen gegen ein Versprechen, der Handschlag mit einem schwertschwingenden Gott und seinen Gefährten, die mit blutbeflecktem Hammer und Zauberei um den Thron der Unsterblichen rangen.
    Wenn sich die Welt der Götter ändert,

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