Der Fluch der grünen Steine
benehmen würde, hätte ich schon längst die Nase eingeschlagen. Wir brauchen Sie nicht!«
»Das ist mir klar.«
»Warum haben Sie gelogen?« Es war das erstemal, daß Margarita sprach. Sie war auf eines der Mulis gestiegen und ordnete jetzt ihren Rock über ihre schönen Beine. »Es hieß, ein Geologe käme nach Penasblancas. Sie sind aber Arzt …«
»Ich mußte meine Absicht ändern.« Dr. Mohr empfand so etwas wie eine Erlösung. Die starre Mauer der Pebas begann zu bröckeln. Die Abwehr wurde schwächer. Man hörte ihm zu, kritisch zwar, auf dem Sprung wie ein Raubtier, das man anlockte und das nun vorsichtig und abwartend in der Deckung lag. »Ich wollte zu euch, den Guaqueros, kommen, um einige Zeit mit euch zu leben und eure Sorgen und Nöte, eure Probleme und eure Hoffnungen kennenzulernen. Ich wollte einer von euch sein, um später dort helfen zu können, wo es wirklich nötig ist.«
»Dazu wären Sie nie gekommen!« sagte Pebas.
»Sehe ich wie aus Zucker gebrannt aus?«
»Die da draußen –«, Pebas zeigte mit dem Daumen in die Berge – »hätten Sie nicht atmen lassen! Sie wollten schürfen?«
»Natürlich.«
»O Maria! Wo denn? In den Gruben und Stollen, Höhlen und Flußufern wimmeln sie herum wie Ameisen. Wollten Sie einen Stollen für sich freischießen?«
»Ich hätte mich einem Team angeschlossen. Vielleicht Ihnen. Zwei Hände mehr bedeuten eine doppelte Chance. Eine echte Partnerschaft …«
»Die sofort endet, wenn der eine etwas findet. Dann bringen sich die Freunde gegenseitig um. Wer überlebt, ist der Glückliche.« Pebas winkte ab. »Sie haben keine Ahnung, Señor, wo Sie hier gelandet sind. Das einzige, was gilt, sind die grünen Steine. Wir sind doch alle Idioten, die wir an den großen Fund glauben. Ich auch! Uns ist nicht mehr zu helfen. Unseren Verstand haben wir in die Berge gewühlt.«
»Versuchen wir es«, sagte Dr. Mohr.
»Was?«
»Nehmen Sie mich mit.«
»Wohin?«
»Zu Ihnen.«
»In die Berge?«
»Ja.«
»Verrückt.«
»Wenn Sie einen Platz haben, wo ich mich hinlegen kann, genügt das.«
»Sie wollen zu uns in die Berghütte kommen?«
»Ich möchte bei Ihnen leben. Ich will, wie ihr alle, ein Guaquero sein.«
»Können Sie schießen?«
»Ja.«
»Haben Sie Kraft?« Pebas trat an sein Muli, schnallte ein Bohlenbrett vom Gepäcksattel und nahm es in beide Hände. »Eigentlich brauchte ich es für eine Tür«, sagte er. »Aber auch hierfür ist es gut! Halten Sie es fest, mit beiden Händen. Ganz fest.«
Dr. Mohr nahm die Bohle und streckte sie Pebas entgegen. Er wußte genau, was kommen würde, und grub seine Finger in das Holz. Pebas fixierte das Brett, hob blitzschnell die rechte Faust und ließ sie ebenso schnell heruntersausen. Es krachte, und das Holz zersplitterte. Dr. Mohr hielt die beiden Stücke fest in den Händen.
»Gut!« sagte Pebas hart. »Und Sie, Doctor?!«
»Legen Sie es auf zwei Steine …«
»Bin ich ein Schwächling?« schrie Pebas.
»Ich möchte nicht, daß Sie sich die Arme brechen.«
»Ha! Das will ich sehen.«
Pebas suchte in der Umgebung, brachte zwei Ziegelsteine heran und baute sie auf. Über die Steine legte er das Brett. »Das schaffen Sie nie! Nie! Sie sind aus Fleisch und Blut, aber nicht aus Eisen! Lassen Sie den Unsinn, Doctor. Wenn wir etwas von Ihnen brauchen, dann sind es Ihre Hände.«
Dr. Mohr kniete vor dem Brett und konzentrierte sich. Vor zwei Jahren, dachte er. In Hamburg, Lee-en-Lai, der Karatelehrer, der Bretter und Ziegelsteine, dicker als diese hier, mit einem Handkantenschlag mitten durchtrennte wie ein schneidender Blitz. Lee-en-Lai war vorher sein Patient gewesen. Eine komplikationslose Blinddarmoperation, aber für Lai war tiefe Dankbarkeit selbstverständlich. Er stattete sie ab in Form eines Privatlehrgangs in Karate. Was sonst nie gelehrt wurde, hatte Dr. Mohr mit Lai an Brettern und Steinen, ja sogar an gußeisernen Platten geübt: den Todesschlag. Der fürchterliche Hieb, der das Skelett eines Menschen völlig deformieren kann.
Dr. Mohr starrte auf das Brett. Er atmete tief auf, dachte an Lee-en-Lai und streckte die Hand. Dann zuckte sein Arm empor, die Mobilisierung der geheimnisvollen Kräfte entlud sich in einem dumpfen Stöhnen, die Handkante sauste auf die Bohle und zerschnitt sie, als habe sie ein rasiermesserscharfes Beil getroffen.
Wortlos starrte Pebas auf die Bohle. Dr. Mohr erhob sich von den Knien und trat an das Maultier heran, auf dem Margarita saß. Ihre großen schwarzen Augen
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