Der Fluch der grünen Steine
hier.«
»Ja.«
»Unmöglich.«
»Warum?«
»Mein Traum. Der Engel, Doctor. Ich muß meinen großen Stein finden. Und er ist da unten im Berg. Ich fühle es! Wie kann ich da wegziehen? Was soll ich in der Stadt? Die Straßen fegen? Mit zwölf Personen in zwei stinkigen Zimmern wohnen? Jeden Abend die Mülltonnen der Reichen plündern? In der Stadt bleibt mir nur eins: ein Verbrecher zu werden! Doctor, ich kann hier nicht weg, ohne reich zu sein.«
Dr. Mohr nickte. Er sah hinüber zu Nuria, die still wartete. Als sie seinen Blick bemerkte, lächelte sie verhalten.
»Deine Kinder – bis auf Pablo – mache ich gesund«, sagte Mohr. »Ich habe genug Medikamente bei mir. Was mir fehlt, wird aus Bogotá kommen.«
»Hierhin? Nie!«
»Ich garantiere dafür. Aber Pablo? Ich will jedenfalls alles versuchen.«
»Bitte, Doctor.«
»Jetzt Nuria.«
Die Frau trat in den Feuerkreis und legte sich unaufgefordert vor Dr. Mohr auf die Erde. Sie öffnete die Bluse und streifte den Rock über die Hüften. Ihr Körper mußte einmal sehr schön gewesen sein. Glatt, trotz aller Zierlichkeit wohlgeformt. Jetzt waren die Brüste erschlafft, die Hüften knochig, die Schenkel dürr, das Brustbein stach spitz durch die Haut. Nur der Leib war glatt und rund, von alarmierender Glatt- und Weichheit dem übrigen ausgelaugten Körper gegenüber.
Dr. Mohr blickte hoch. Sein Zögern stieß bei Zapiga auf Unverstand. Mit seinen Kindern stand er um Nuria herum.
»Ich möchte allein sein!« sagte Dr. Mohr laut.
»Warum?«
»Ich will Nuria untersuchen!«
»Bitte.«
»Verdammt noch mal! Ich muß sie gründlich untersuchen. An den Intimstellen.«
»Fangen Sie an.«
»Die Kinder, Juan.«
»Was ist mit den Kindern? Sie hat sie geboren, sie sind aus ihr gekommen. Wo gibt es da Geheimnisse?«
»Es gibt ein Schamgefühl, Zapiga!«
»Bei uns nicht, Doctor. Bei uns ist alles natürlich. Vom Lebensanfang bis zum Lebensende. Wir werden nicht umfallen, wenn Sie in Nuria hineingreifen.«
Dr. Mohr beugte sich über die nackt vor ihm liegende Frau. Vorsichtig tastete er den Unterbauch ab, drückte an bestimmten Stellen und fragte, ob es weh täte. Nuria schüttelte den Kopf, nickte dann ein paarmal und sagte:
»Es tut nicht immer weh. Aber manchmal ist es ein Gefühl, als ob ich ein Kind bekomme. Etwas da drinnen ist rund und schwer, es drängt nach draußen, aber es kommt nicht. Es ist kein Kind.«
Dr. Mohr nickte. Das fehlte mir noch, dachte er. Hier in dieser Wildnis. Zapiga, du hast vielleicht ein Pech mit deiner großen Familie.
Er holte aus dem Metallkoffer ein gynäkologisches Spekulum und sah sich um. »Jemand muß Nuria hochhalten!« sagte er heiser.
»Sie brauchen es nur zu sagen, Doctor.« Zapiga kniete nieder und hob mit beiden Händen Nurias Unterleib hoch. Von der anderen Seite kam Margarita und stützte mit ihren Unterarmen das freischwebende Gesäß.
»Es kann weh tun. Schreien Sie ruhig, Nuria.« Dr. Mohr führte vorsichtig das Spekulum ein.
Zapiga schüttelte den Kopf.
»Sie wird nicht schreien, Doctor. Sie ist eine tapfere Frau.«
Der Blick durch das Spekulum war undeutlich. Aber trotzdem sah Dr. Mohr, was er vermutet hatte. Interessiert beobachtete Zapiga ihn. Daß es so etwas gibt, dachte er. Da kann ein Arzt in den Leib meiner Frau hineinblicken! Sind schon tolle Kerle, diese Médicos.
Dr. Mohr zog das Spekulum zurück und nickte. Zapiga und Margarita ließen Nurias Unterleib wieder auf die Erde hinunter. Nurias Haut überzog ein leichter Schweißfilm, nicht aus Schmerzen oder Angst, sondern als Ausdruck einer zurückgedrängten Scham.
»Ein Myom!« sagte Mohr. »Ein gestieltes submuköses Myom. Da hilft nur eins: Operation. In Bogotá.«
»Hier nicht?«
»Unmöglich!«
»Wir kommen nie nach Bogotá.«
»Ich bringe Nuria hin.«
»Und wer bezahlt das alles?«
»Ich.«
»Sie sind ein guter Mensch, Doctor, aber in unsere Welt passen Sie nicht. Überlegen Sie doch einmal. Wenn ich Nuria in Bogotá operieren lasse, werden alle glauben, ich hätte genug gefunden und verstecke die Smaragde nur. Sie werden Nuria auflauern, entführen und mich erpressen. Wie die Jaguare sind sie. Grausam und gnadenlos. Sie und Nuria würden Bogotá nie erreichen.«
»Dann hole ich Militärschutz.«
»Militär?« Zapiga lachte laut. »Einer Frau wegen? Versuchen Sie es! Und wenn die Soldaten wirklich kommen, dann nicht wegen Nuria, sondern um unsere Smaragde zu beschlagnahmen. Die Soldaten ziehen wieder ab, aber Sie bleiben. Wissen
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