Der Fluch der grünen Steine
Sie, was man dann mit Ihnen macht? Das, was man schon einmal mit einem gemacht hat, der uns die Soldaten auf den Hals hetzte. Man kann das nicht erzählen …«
»Gibt es hier irgendwo ein Telefon?« fragte Dr. Mohr.
»Ein Telefon? Sie sind wohl verrückt!«
»Wer hat ein Funkgerät?«
»Einige, am großen Stollen.«
»Kennen Sie jemand von diesen Leuten?«
»Ich kenne sie alle.«
»Dann gehen Sie hin, Juan, und sagen Sie ihnen: Sie sollen Verbindung mit Christus Revaila aufnehmen.«
Zapiga senkte den Kopf und zog das Kinn an. »Was wollen Sie von Revaila? Was haben Sie mit Revaila zu tun?«
»Er ist mein Verbindungsmann nach draußen.«
»Ausgerechnet Revaila?« Es klang drohend.
»Ich konnte ihn mir nicht aussuchen. Sie mögen Revaila nicht? Ich auch nicht.«
»Revaila ist der Kerl, der mir auflauert. Seit zwei Jahren. In die Berge wagt er sich nicht. Aber wenn ich herauskomme, gibt es nur einen Überlebenden.«
»Trotzdem brauchen wir ihn jetzt. Nur mit seiner Hilfe kann ich Pablo und Nuria operieren. Don Alfonso muß mir die gesamte Ausrüstung schicken.«
»Don Alfonso?« Zapiga trat zwei Schritte zurück, als ströme Dr. Mohr ein giftiges Gas aus. »Sie kommen von Don Alfonso?«
»Nein. Ich habe mit ihm einen Vertrag.«
»Steh auf!« sagte Juan hart. Nuria erhob sich, streifte schnell Bluse und Rock über und ging zu ihren Kindern. »Wir danken Ihnen, Doctor. Adiós.«
Dr. Mohr kniete vor seiner Metallkiste und suchte nach Medikamenten. »Wo wollen Sie hin, Juan?«
»In mein Haus! Ich habe mir doch gleich gedacht, daß hier etwas nicht stimmt. Plötzlich ist ein Arzt da! Freiwillig! Aber das stimmt ja gar nicht, er ist nicht freiwillig da. Don Alfonso schickt ihn. Über unsere Krankheiten will Camargo an unsere Smaragde. Welch ein hinterlistiger Hund. Und Sie sind sein Lockvogel.«
Zapiga spuckte vor Dr. Mohr aus und faßte seinen Sohn Pablo am Arm. Seine Verachtung war grenzenlos, aber auch seine Enttäuschung. Nur eines wußte er jetzt ganz sicher: Seine Familie würde wegsterben wie Fliegen unter einer Giftwolke.
»Ich bin hierher gekommen, um zu helfen«, sagte Dr. Mohr. »Von wem das Geld kommt, ist mir gleichgültig. Hauptsache, daß ich alles bekomme, was ich brauche. Einer Herzspritze sieht man nicht an, wer sie gekauft hat – aber sie hilft! Und ein OP-Tisch, auf dem ich Nuria operieren kann, ist mir wichtiger als alle Don Alfonsos der Welt.«
»Sie haben ja keine Ahnung, Doctor.« Zapiga blieb stehen. Die Familie umkreiste ihn. Sechs Söhne und vier Töchter, alle von diesem gnadenlosen Land gezeichnet.
»Heute liefert er Medikamente, morgen einen ganzen Operationssaal, übermorgen kommt er mit einer eigenen Armee und raubt uns aus. Das hat er schon einmal gemacht: vor zwei Jahren bei Muzo. Es gab neunundfünfzig Tote. Das zumindest ist die Zahl derjenigen, die man gefunden hat. Niemand sprach darüber, nicht einmal das Militär bei Muzo. Einen Guaquero darf man töten, das ist sogar eine gute Tat. Es entlastet die Soldaten. Doctor, Sie sind nur der Spähtrupp! Die Vernichtung kommt hinter Ihnen her.«
»Nicht bei mir. Da hat sich Don Alfonso aber geirrt.« Dr. Mohr setzte sich auf die Metallkiste. Die ausgesuchten Medikamente lagen verstreut auf dem Felsboden um ihn herum. »Komm her, Pablo.«
Zapiga hielt ihn fest. »Was soll er?«
»Er bekommt eine Schmerzspritze und Antibiotika.«
»Hilft das etwas?«
»Für den Anfang ja. Auch die anderen Kinder werden wieder gesund. Juan, warum glaubt ihr mir nicht, daß ich jetzt zu euch gehöre?«
»Wie kann ein Mensch, der ›Sie‹ zu uns sagt, zu uns gehören? Das ist eine andere Welt, Doctor.«
»Deswegen bin ich hier. Damit ihr wieder an Menschlichkeit glaubt. Vielleicht kommt auch noch ein Priester zu euch.«
»Den schlagen wir tot.«
»Mit ihm werdet ihr es schwerer haben als mit mir. Der läßt sich nicht totschlagen. Eher schlägt er zurück. Wenn's sein muß, erhebt er sogar als erster die Hand. Vielleicht sollte ich das auch? Dich erst zu Boden schlagen und dann sagen: ›So, jetzt steh auf und bring mir deine Kinder her!‹«
»Versuch es, Doctor.«
»Danke.«
Zapiga glotzte Dr. Mohr an. »Wofür?«
»Du hast ›du‹ zu mir gesagt.«
»Du auch!«
»Geh zu ihm, Pablo!« sagte Zapiga rauh. »Laß dich behandeln. Der Doctor ist ein verdammtes Aas …«
Dr. Mohr injizierte Vitamine und Antibiotika, bestrich die Furunkel der Kleinen mit Salben und desinfizierte die offenen Geschwüre. Er verteilte Tabletten und
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