Der Fluch der grünen Steine
diese Hälfte – vor allem die Herren Offiziere – leben wie dicke Maden durch Gelder, die unsichtbar in ihre Taschen fließen. Ein Mysterium! Abends sind die Taschen leer, packen sie morgens hinein, knistern die Pesoscheine. Major Gomez wird mit vielen Krankmeldungen rechnen müssen.«
»Zustände sind das!« brüllte Salto. »Wissen Sie etwa auch, wohin Revaila ziehen will?«
»Natürlich.«
»Und wohin?«
»Zur Pebas-Mine. Dort lebt jetzt ein Mensch, der, nach Ansicht von Revaila, nicht mehr leben darf: Pedro Morero.«
»Ha!« Leutnant Salto zuckte hoch. »Unser Médico! Ich verhafte Revaila sofort!«
»Das ist jetzt nicht mehr möglich. Revaila hat bereits eine kleine Truppe um sich, deren Sicherheitsring Sie nicht durchbrechen können. An den kommen Sie nicht mehr heran. Leutnant. Sie können nur noch in Ihrem Polizeihaus sitzen und sich besaufen. Das ist das beste.«
»Alles wieder rumdrehen!« schrie Salto. Die Gäste lösten sich von den Wänden und gingen zu ihren Sitzplätzen zurück. Sie taten es so gleichmütig, als sei nichts geschehen. Soll man sich durch einen Polizisten den schönen Abend versauern lassen? Nicht bei uns, Leutnant. Das Leben ist hier so kurz, und die Weiber bei ›Mamá‹ sind so schön. Gönne uns das kleine Vergnügen, Camarada, wer weiß, ob wir Bogotá, das wirkliche Leben, jemals wiedersehen.
»Ich packe!« Pater Cristobal rutschte vom Barhocker. »Bedanken Sie sich bei Revaila, Señora, wenn ich früher weggehe als geplant. Aber ich komme wieder und hole Perdita ab.«
»Wo wollen Sie hin?« fragte Salto ahnungsvoll.
»Zu Pete Morero.«
»Dachte ich mir's doch! Loulou, noch einen Rum mit Cola! Pater, Christus Revaila ist kein Kerl, der nicht auch auf ein Kreuz schießen würde.«
»Dem Namen nach könnte er es nicht. Aber ich weiß, daß er nur töten will.«
»Und was wollen Sie dann in den Bergen?«
»Das Wort erheben!« sagte ›Mamá‹ spöttisch.
»Genau das!« Pater Cristobal warf ein paar Pesos für den Whisky auf die Theke. »Wir werden die Angst besiegen … dann haben wir auch Revaila besiegt …«
Die kleine Neila Zapiga konnte gerettet werden.
Dr. Mohr pumpte den Magen aus, gab ihr viel Milch zu trinken und injizierte ein Kreislaufmittel. Noch während er die Nadel wieder herauszog, schlief Neila ein und atmete tief und regelmäßig. Ab und zu zuckte die Bauchdecke noch, aber die Krämpfe kamen nicht wieder. Zapiga kniete neben seiner kleinen Tochter, streichelte ihr Köpfchen und sprach leise auf die Schlafende ein. Der Mann mit dem Vollbart beugte sich ebenfalls über das Kind und ging dann zu Dr. Mohr, der seine Arztkiste wieder einpackte.
»Was können Sie alles?« fragte er.
»Wie soll ich das verstehen?« fragte Mohr zurück.
»Ein Arzt kann doch nicht alles. Der eine kann Knochen heilen, der andere die Lunge. Es gibt Fachärzte für die Augen oder die Zähne, und solche, die einen Menschen aufschneiden und aus dem Körper herausholen, was krank macht.«
»So einer bin ich, ein Chirurg.«
»Aha: Und wie ist es mit Krebs …?«
»Hat einer in der ›Burg‹ Krebs?« fragte Dr. Mohr besorgt.
»Ich sage das nur so«, brüllte der Mann mit dem Vollbart. »Angenommen, einer von uns hat Krebs. Wie steht es dann mit ihm?«
»Miserabel.«
»Aha! Da macht ihr Ärzte euch in die Hose.«
»Das nicht direkt. Man müßte feststellen, um welchen Krebs es sich handelt. Und in welchem Stadium er sich befindet. Ob er noch operabel ist.«
»Sie können so etwas operieren?«
»Das habe ich jahrelang gemacht.«
»Und da kommen Sie zu uns Verfluchten? Da stimmt doch etwas nicht.« Der Mann mit dem Vollbart fixierte Dr. Mohr.
»Haben Sie jemanden umgebracht?«
»Nein.«
»Mit der Kasse durchgebrannt?«
»Aber nein …«
»Wegen der Politik? Sind Sie Revolutionär?«
»Auch nicht. Ich habe in Bogotá ein gutes Leben geführt. Dann hörte ich von euch hier draußen und sagte mir: Diese Menschen brauchen dich wirklich. Und jetzt bin ich eben da … und baue mit eurer Hilfe mein Krankenhaus.«
Juan Zapiga saß neben seinem schlafenden Kind und schaute den wilden Burschen aus der berüchtigten ›Burg‹ zu, wie sie die gefällten Stämme entlaubten oder mit zwei Stahlschubkarren Steine herankarrten und auf einen Haufen warfen. Oben, in seinem Stolleneingang, hockte der halbblinde Pepe Garcia und konnte nur hören, was unter ihm vorging. Adolfo Pebas war in seine Mine gegangen. Außer einer starken Taschenlampe hatte er einen dicken Gartenschlauch
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