Der Fluch der grünen Steine
Kopf floß und gar nicht zu ihr paßte. Auch die grelle Schminke zerstörte das feine Gesicht, machte es maskenhaft, clownähnlich, erbärmlich gemein. Meistens trug sie einen engen Rock, der ihre Hüften und die langen Beine umpreßte, und eine Bluse, aus der die obere Rundung ihrer Brüste hervorquoll. Wenn sie zum ›Dienst‹ ging, puderte sie die Brüste sogar mit Goldstaub ein. Bei ›Mamás‹ Beleuchtung glitzerte dann ihr Oberkörper lockend und geil und konnte nie übersehen werden.
Pater Cristobal gab sich gar keine Mühe, Perdita zu übersehen. Im Gegenteil, er sprach sie auf der Treppe zum Lokal an. Sie wohnte zwei Zimmer neben ihm und hatte natürlich längst gehört, wer da als Nachbar das beste Zimmer besetzt hielt.
»Für die Kirche habe ich einen Sondertarif«, sagte sie gemein und blieb vor Cristobal Montero stehen. Sie zog sogar die Bluse tiefer in den Rockbund und entblößte dadurch ihre Brüste noch mehr. »Aber umsonst ist nichts! Ich weiß ja, die Kirche will immer alles geschenkt haben. Bei mir nicht!«
»Auch die Kirche gibt manchmal etwas umsonst«, sagte Pater Cristobal freundlich. »So kannst du zum Beispiel von mir gratis eine Ohrfeige bekommen! Zieh deine Bluse hoch! Deine Kugeln sind doch nur Attrappe.«
»Sie sind echt!« Sie riß den Ausschnitt der Bluse ganz herunter und streckte Cristobal ihre nackten vollen Brüste entgegen. »Ich habe die schönsten weit und breit!« Ihre Augen sprühten Feuer. »Auch die kommen von Gott!«
»Sicherlich! Aber was tust du mit Gottes Geschenk? Weißt du, wie sie bei deinem Leben nach zehn Jahren aussehen?«
»Weiß ich, ob ich zehn Jahre überlebe?«
»Ich weiß es.«
»Natürlich! Ein Pfaffe weiß alles.« Perdita lachte hell und zog die Bluse wieder höher. »Ahnen Sie, in welchem Bett Sie schlafen?«
»Ja! Señora Ordaz hat es deutlich gesagt. Aber mich stört es nicht. Es ist ein gutes Bett. Und du bist ein gutes Mädchen.«
»Sagen Sie das noch mal, Pater.«
»Du bist ein gutes Mädchen. Du bist nicht das, was du jetzt darstellt. Du bist allein, verzweifelt, hilflos, ausgebeutet. Und du vergehst vor Heimweh.«
»Sie sind verrückt, Pater!« sagte sie leise. Plötzlich verzerrte sich ihr ordinär geschminktes Gesicht, sie begann zu weinen, warf sich herum und rannte die Treppe hinunter zur Bar.
Cristobal ging ihr langsam nach. Bei ›Mamá‹ war schon großer Betrieb. Im Lokal plärrte wieder überlaut die Musik, die Tische und die Hocker an der Bar waren fast schon besetzt, auf dem Tanzparkett schoben sich die Pärchen hin und her, als kämpften sie um jeden Quadratmeter Boden. An der Tür stand Miguel, der Portier und die lebende Kirchenorgel, und begutachtete jeden, der noch hinein wollte. Wer schon betrunken war, bekam einen Fausthieb zwischen die Augen und taumelte zurück auf die Straße. Niemand nahm das hier übel. Es gehörte zu den Sitten dieser Stadt, daß weniger geredet als sofort gehandelt wurde. Man begriff das auch besser. Nach Miguels Schlag gab es jeder auf, einen zweiten Anlauf zu wagen.
Pater Cristobal fand einen Hocker am äußersten Ende der Bartheke, hob sich auf den Sitz und bestellte bei Loulou, der Bardame mit dem Riesenbusen und der geschnürten Taille, einen großen Bourbon-Whisky. Neben ihm saß ein Mann auf dem Hocker, der ihn aus den Augenwinkeln musterte. Cristobal kam er bekannt vor. Er mußte einer der Männer sein, die bei dem Erschossenen eine Art Ehrenwache gehalten hatten. Einer von ›Mamás‹ Smaragdaufkäufern.
»Hier stinkt es gewaltig!« sagte der Mann plötzlich laut. »O verdammt, es stinkt nach Weihrauch. Meine Nase brennt direkt. Wer kann das aushalten? Ich muß gleich kotzen.«
»Loulou, bring einen Eimer!« rief Pater Cristobal besorgt. Er übersah das entsetzte Gesicht von Loulou, die sich nicht rührte, sondern langsam nach hinten wich. »Welch eine Unvernunft! Kranke, alte und schwächliche Männer sollten nicht in Bars sitzen! Wie kann jemand Whisky vertragen, wenn ihn schon Weihrauch in die Hose machen läßt?«
»Wer ist hier krank?« fragte der Mann und zog das Kinn an. Er war ein bulliger Kerl, mit einem Gesicht voller Narben und Flecken und einer dicken, roten Nase, die wie eine Kaktee aussah. »Mein Geruchssinn ist nur beleidigt.«
»Dann stink nicht so!« sagte Cristobal ruhig.
»Aha!« Der Mann griff nach dem Glas des Paters und schüttete den Whisky über dessen Hose. Dann warf er das Glas an die Wand und lachte rauh. »Das duftet endlich nach Männern!« Um ihn
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