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Der Fluch der grünen Steine

Der Fluch der grünen Steine

Titel: Der Fluch der grünen Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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man weder Pesos noch Dollars. Man kann nur mit kleinen grünen Steinen bezahlen. Hier gilt ausschließlich die Smaragdwährung. Unser Leben ist der Berg, im wahrsten Sinne des Wortes.«
    Gegen Abend kam Nuria Zapiga auf die Baustelle. Juan Zapiga saß noch immer auf der Erde, den Kopf seiner kleinen Tochter im Schoß, und beobachtete ihre langsame Rückkehr ins Leben. Dr. Mohr hatte das geschwächte Kind noch einmal untersucht und eine neue Injektion gemacht. Es begann darauf erneut zu würgen, spie den letzten Mageninhalt aus und trank gierig die fette Ziegenmilch, die Margarita in einer Blechschüssel brachte. Dann schlief das Kind wieder ein. Zapiga starrte Dr. Mohr aus tiefliegenden Augen an.
    »Stirbt es?« stammelte er.
    »Im Gegenteil, es überlebt.« Dr. Mohr fühlte den Puls und kontrollierte den Herzschlag. »Was habt ihr gegessen?«
    »Was wir immer essen, Don Pedro. Was uns das Land schenkt.«
    »Das Land?«
    »Sie wissen, wie groß meine Familie ist. Wir haben ein Schweinchen, aber das muß noch wachsen. Wir haben ein paar Hühner … auf die Eier können wir nicht verzichten. Die Ziege muß Milch geben. Außerdem haben wir etwas Mais und Salat angebaut. Neben dem Haus steht ein Papayabaum. Aber das Fleisch fangen wir uns. Unten, in der Niederung, wo es feucht ist, gibt es schöne, dicke Schlangen.«
    »Schlangen?«
    »Eine Delikatesse, Doctor!« warf der Bärtige ein. »Für ein Schlangensteak, vorzüglich gewürzt, lassen Sie jedes Entrecôte stehen! Glotzen Sie mich nicht so entsetzt an! Was betrachten Sie als Delikatesse! Langusten, nicht wahr? Froschschenkel! Schnecken! Tintenfische! Fischeier, die man vornehm Kaviar nennt!« Er schlug mit der Faust gegen die andere flache Hand. »Das ist auch ein Grund, weswegen ich hier lebe: Ich wollte raus aus der Heuchelei, die uns andauernd umgibt! Ihr eßt Frösche und Schnecken und verdreht dabei in kulinarischer Barbarei vor Wonne die Augen. Warum soll man da nicht Schlangen essen? Eine Schlange ist etwas Sauberes, Festes im Vergleich zu einer glitschigen Schnecke oder Auster. Man paniert die Fangarme von Tintenfischen oder lutscht die Zangen der Langusten aus und genießt es mit breitem Vergnügen. Wissen Sie, daß Rattenfleisch wie Kalbfleisch schmeckt?«
    »Das Kind muß ein Stück giftiges Schlangenfleisch gegessen haben.«
    »Blödsinn! Wenn das Fleisch gut gebraten oder gekocht ist, gibt es kein Gift mehr! Überhaupt ist von einer Schlange nur der Zahn mit seiner Giftdrüse giftig; alles andere ist genießbar! Don Pedro, ich lade Sie mal ein zu einem Schlangenessen! Sie werden süchtig werden!« Der Bärtige lachte rauh. »Denken Sie an Zentralafrika! Da fängt man Heuschrecken, trocknet und mahlt sie, macht Mehl aus ihnen und backt köstliche Brote damit. In China essen sie mit Genuß in der Fritteuse knackig gesottene Raupen! Wird Ihnen schlecht, Doctor?«
    »So schnell nicht!« Dr. Mohr lächelte schief. Er beugte sich zurück und sah Zapiga fragend an. »Was kann das Kind gegessen haben?«
    »Einen rohen Pilz …«
    »Ach. Die habt ihr auch hier?«
    »Wir haben alles hier, was feindlich ist.«
    »Mich wundert, daß ihr alle noch lebt!« Dr. Mohr wusch sich seine Hände in einer Tonschüssel mit frischem Wasser, die Margarita gebracht hatte.
    »Die Natur ist zu beherrschen«, sagte der Bärtige ernst. »Unser größter Feind ist der Mensch.«
    Jetzt war auch Nuria gekommen, nahm das kleine Mädchen aus Zapigas Schoß, preßte es an sich und wiegte es leicht hin und her. »Danke, Doctor«, sagte sie dabei. »Danke! Danke …«
    »Was macht Pablo?« fragte Dr. Mohr.
    »Er arbeitet.«
    »In der Mine?« rief Dr. Mohr entsetzt. »Mit dieser Kapsel-Phlegmone?! Ich habe gesagt, der Arm muß …«
    »Wir müssen leben, Don Pedro«, sagte Zapiga einfach. »Zehn Kinder, Nuria und ich … Wir dürfen keinen Tag verschenken. Heute konnte ich nicht in die Mine, also müssen Pablo und die anderen Jungs arbeiten.«
    »Die anderen? Wie alt sind die denn?«
    »Elf und neun Jahre, Don Pedro.«
    »Und arbeiten im Berg?!«
    »Natürlich!«
    »Mit Luft aus dem Gartenschlauch?! In Stollen, die nicht höher als fünfzig Zentimeter sind, die Steinschichten weghauend?«
    »Es muß sein.«
    »Willst du sie alle umbringen, Juan?!«
    »Sollen wir verhungern?« Zapiga streichelte über den Kopf seiner kleinen, tief schlafenden Tochter. Eine unendliche traurige Zärtlichkeit war in dieser Bewegung. »Einmal wird alles vorbei sein, Doctor. Da stoßen wir im Berg auf den großen

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