Der Fluch der grünen Steine
Smaragd und sind Millionäre!«
Da war sie wieder: die immer gegenwärtige Hoffnung. Der große Traum aller 30.000 Guaqueros: die grüne Ader finden, an der jeder Hammerschlag Tausende von Dollar wert ist. Für diese Illusion lebten sie, schufteten sie bis zur völligen Erschöpfung, verspielten sie ihre Gesundheit, schossen sie sich den Weg nach Bogotá frei, durch die Barriere der Aufkäufer von Christus Revaila und ›Mamá‹ Mercedes. Und dann galt es noch, in der Emerald-Street nicht betrogen oder im schlimmsten Fall gar getötet zu werden.
»Pablo darf ab sofort nichts mehr tun!« sagte Dr. Mohr hart. »Er muß ja vor Schmerzen schreien, da unten im Stollen.«
»Pablo ist ein tapferer Junge. Er weiß, daß wir keinen Tag verschenken können.«
»Sobald die Außenwände des Hospitals stehen und ein Dach darüber ist, kommt er zu mir!«
»Wir werden es sehen, Doctor.« Zapiga drehte sich um und ging den Pfad hinunter, der in das Tal führte. Nuria, mit dem schlafenden Kind auf den Armen, folgte ihm stumm. »Was nützt Ihnen das Hospital, wenn Sie das Material nicht bekommen …«
In der Abenddämmerung zogen die wilden Burschen von der ›Burg‹ wieder in ihre Steinfestung. Die Familie Pebas, verstärkt durch Nachbar Pepe Garcia, versammelte sich unter dem Vordach der Wohnhöhle und genoß das Abendessen. Mamá Dolores hatte eine Gemüsesuppe gekocht, gedickt mit aufgequollenen Maiskörnern. Fleisch gab es nicht. Nach dem Begrüßungsessen für Pedro Morero, das ein Huhn gekostet hatte, stand der nächste Fleischgang erst für den kommenden Sonntag auf dem Programm.
Adolfo Pebas sah erschreckend aus. Er hatte heute sieben Stunden in seiner Mine gearbeitet. Viermal war er herausgekrochen, hatte sich, nach Luft ringend, in den Schatten einer überhängenden Felsplatte geworfen und dort eine Viertelstunde gelegen, als sei er nur ein Häufchen Haut und Knochen, in Lumpen eingewickelt. Dann, nach einigen wilden pumpenden Luftzügen, hatte er wie tot dagelegen, Arme und Beine weit von sich gestreckt; aber schon nach wenigen Minuten riß ihn der Gedanke wieder auf die Beine: Du mußt weitergraben! Du mußt wieder in den Berg hinein! Irgendwo, dort unten im Felsen, warten die grünen Steine auf dich …
Beim Abendessen lag er auf einer Decke aus Hundefellen und löffelte langsam und schwerfällig die dicke Suppe. Maria Dolores blickte ein paarmal zu ihm hinüber und schwieg. Aber wenn sich ihr Blick mit dem von Dr. Mohr kreuzte, war ein stummer Aufschrei in ihren Augen: Er zerstört sich, Doctor. Er ist wie alle anderen hier: Die Steine machen ihn wahnsinnig. Hilf uns, Doctor.
»Hat Pepe dir schon erzählt, was man in den Bergen munkelt?« fragte Pebas und kratzte in seiner Suppenschüssel herum. »Natürlich nicht. Er will dich nicht beunruhigen.« Adolfo wartete, bis Margarita ihm eine große Kelle voll Suppe in die Schüssel gegeben hatte. Die dritte Portion. Der Berg hatte ihn völlig ausgezehrt. »Man erzählt sich in den Bergen, du seist ein Spitzel von Don Alfonso Camargo. Was sagst du nun?«
»Blödsinn!« Dr. Mohr spürte ein Jucken unter der Kopfhaut. Ein Spitzel Don Alfonsos zu sein, war so ziemlich das Schlimmste, was einem Guaquero passieren konnte. Es war gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Man brauchte nur darauf zu warten, wann es vollstreckt würde.
»Jeder weiß …«
»Keiner weiß etwas! Das ist es ja!« Pebas rülpste laut. Die Suppe schmeckte ihm. »Pepe hat versucht zu erklären, daß du ein Médico bist. Das glauben sie ohne Bedenken, aber – sagen sie – auch ein Arzt kann ja hierher geschickt worden sein, um uns auszuhorchen! Wer kann das einfacher, gründlicher und vor allem hinterhältiger als ein Médico?! Ihm vertraut man. Ihm sagt man alles, was man auf der Seele hat. Ein Kranker, der nicht an Gott glaubt, sieht in seinem Arzt etwas Gottähnliches! Und so kann Don Alfonso bequem erfahren, was man in monatelanger höllischer Arbeit aus dem Berg geholt hat, wieviel Steine, welche Größe, welche Farbe, welche Reinheit. Man zeigt sie dem lieben Onkel Médico, und wenig später weiß man in Bogotá, daß der José Latinque, der morgen in die Hauptstadt wandern will, für 10.000 Dollar Smaragde in seinem Taschentuchknoten trägt. -- José wird nie in Bogotá ankommen. Wenn man Glück hat, findet man seinen Körper und kann ihn unter einem Kreuz begraben.«
»Das traust du mir zu?« fragte Dr. Mohr mit belegter Stimme.
»Was fragst du mich?« Pebas löffelte seine Suppe
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