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Der Fluch der grünen Steine

Der Fluch der grünen Steine

Titel: Der Fluch der grünen Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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strich über eine bucklige Felswand.
    Aha, dachte er, ein unterirdischer Gang. Ein Stollen. Wenn das der einzige Zugang ist, konnte man die ›Burg‹ wirklich als uneinnehmbar bezeichnen. Novarra brauchte bloß diesen Stollen zu verschütten, zu sprengen oder unter Wasser zu setzen, dann blieb nur der Sturm die Felsen hinauf; und das war ein aussichtsloses Unternehmen. Der Gang schien sich zu verbreitern. Die Schritte der Männer hallten jetzt, als beträten sie einen weiten Raum. Dr. Mohr, der an der Hand Novarras ging, prallte gegen den massigen Körper, als Novarra stehenblieb.
    »Ich glaube, hier können wir Sie wieder sehend machen!« sagte er. »Willkommen bei mir.«
    Sie rissen sich die Binden von den Augen und schwiegen dann. Eine riesige Felsenhalle wölbte sich über ihnen, nicht von Menschenhand herausgeschlagen, sondern von der Natur gestaltet. Ein unterirdischer Fluß mußte hier in Jahrmillionen diesen Saal aus dem Stein gefressen haben, bis er einen anderen Ausgang fand und verschwand. Zurück blieb ein Felsendom mit bizarren Steinformen. Aus verschiedenen Winkeln fiel Licht in den weiten Raum. Elektrisches Licht. Glühbirnen mit Reflektoren.
    »Das ist toll!« sagte Dr. Simpson als erster. »Wo haben Sie den Strom her?«
    »Ich habe ein eigenes Aggregat.« Novarra machte eine weite Handbewegung. »Wir stehen hier im Festsaal. Auch das gibt es bei uns: Geselligkeit. Hier haben wir schon Theater gespielt. Da drüben, da ist die Bühne.« Er weidete sich an der Sprachlosigkeit seiner Besucher und klopfte Dr. Mohr auf den Rücken. »Zweifeln Sie nun noch daran, daß es uns auch gelingen wird, Ihr Hospital zu bauen?«
    »Ich habe nie daran gezweifelt«, sagte Dr. Mohr. Seine Stimme hallte in der domähnlichen Höhle. »Ich ahnte, daß Überraschungen Ihre Spezialität sind.«
    Dr. Ramon Novarra lächelte geschmeichelt. Auch er besaß eine Eigenschaft, die man oft bei politischen Führern und extravaganten Geistern findet: Er war eitel. Das machte ihn menschlicher, aber gleichzeitig gefährlicher. Verletzte Eitelkeit hat Völkern schon Millionen Tote gekostet. Durch die ganze Weltgeschichte hindurch zieht sich wie ein roter, nämlich blutiger Faden die Elendsspur gekränkten Stolzes. Novarra bildete da keine Ausnahme. Das kleine Reich, welches er regierte und das er noch immer als Basis einer Revolution in Kolumbien betrachtete, wollte respektiert und gelobt werden. So verrückt es war, Dr. Mohr verstand plötzlich, warum Novarra mit seinen Männern hier in den Smaragdminen schuftete und jeder Stein, den man fand, abgeliefert werden mußte, weil er Gemeinschaftseigentum war. Der Erlös aus den Smaragden, die Millionen, die Novarra aus den Felsen grub, sollten über kurz oder lang die neue Revolution, das neue Kolumbien finanzieren. Hier in der ›Burg‹ gab es kein anderes Privateigentum als das eigene Leben. Ein vollkommener Sozialismus, um einen politischen Fanatismus zu nähren.
    »Ich hätte Sie nicht hierher geführt«, sagte Novarra, nachdem er den anderen genug Zeit gelassen hatte, sich bewundernd umzublicken, »wenn es sich nur um einen normalen Sterblichen handelte, der plötzlich nach einem Priester verlangt. An einen Arzt denkt er schon gar nicht mehr. Er weiß, daß er unheilbar erkrankt ist. Aber dieser Mann – sein Name ist nicht wichtig – stand früher einmal als Schlagzeile in allen Zeitungen. Plötzlich verschwand er. Es war eine Entführung, die das ganze Land erregte. Tausende Polizisten und Soldaten durchkämmten Kolumbien, die Nachbarstaaten sicherten Amtshilfe zu, eine Treibjagd nach den unbekannten Entführern begann – aber umsonst. Der Mann tauchte nie mehr auf, gab kein Lebenszeichen von sich, ging im Unbekannten unter. Mit den Jahren erlosch das Interesse, sein Name wurde Historie, man war sicher, daß er getötet und irgendwo verscharrt worden war.«
    »Der Entführer waren Sie«, sagte Pater Cristobal.
    »Das war kein schweres Rätsel, was?« Novarra lachte kurz und hart. »Natürlich hätte ich ihn töten können, wer hinderte mich daran, aber ich ließ ihn leben. Ich kann, außer in absoluter Notwehr, keinen Menschen von Angesicht zu Angesicht töten.«
    »Aber Sie konnten Bomben legen, die unschuldige Menschen zerfetzten!« Pater Cristobal schüttelte den Kopf. »Dr. Novarra, stellen Sie sich nicht als den großen Humanisten hin, der eine saubere Revolution haben will! Genau das Gegenteil ist der Fall! Der Anschlag auf das Parlament in Bogotá, die Zugsprengung von

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