Der Fluch der grünen Steine
Gerücht in den Bergen, daß er nicht nur Rechtsanwalt gewesen ist, sondern auch der Führer einer Partei. Eine der niedergeschlagenen Revolutionen geht auf sein Konto. Er ist in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hat. Deshalb seine ›Burg‹ und seine kleine Privatarmee. Keiner weiß aber, ob das nicht doch nur Gerüchte sind.«
»Ich werde ihn fragen.«
»Das sieht Ihnen ähnlich.« Simpson wedelte mit seinen gummibehandschuhten Händen. »Aber von mir wissen Sie nichts, verstanden? Ich habe nichts gesagt. Licht bitte tiefer! So ist gut! Haha, jetzt sehe ich voll ins Auge. Machen wir jetzt also den berühmten Salto! Und aufpassen, Kollege, nach solch einer Wendung kommt es oft zu einer Spontanausstoßung. Sie muß sogar kommen, wenn die Wendung gelingt. Achtung! Hallihallo! Der kleine Turner geht in Stellung …«
»Simpson, ich möchte Ihnen in den Hintern treten!« knirschte Dr. Mohr. »Sie haben vorhin heimlich gesoffen! Stimmt's?«
»Nur geschnuppert, Kollege!«
»Das gewöhne ich Ihnen auch noch ab!«
Die Hicksche Wendung gelang. Aber die Spontangeburt blieb aus. Chica verkrampfte sich, der Kopf des Kindes trat nicht aus. Dr. Simpson richtete sich stöhnend auf und streifte die Gummihandschuhe ab.
»Meine Bandscheibe! Mein Rückgrat muß nur noch eine Ruine sein! Pete, wir müssen Chica eins auf die Nase geben. So klemmt sie mit jeder Wehe das Kind nur noch fester ein. Da sagt man immer, die jungen Weiber bekommen ihre Kinder beim Dauerlauf.«
Dr. Mohr bereitete eine Injektion vor und suchte in seinem Koffer nach einer geeigneten Ampulle. »Alles habe ich aus Bogotá mitgebracht«, sagte er. »Alles, was man so braucht in der Wildnis. Aber wer denkt an Geburten? Wenn ich jetzt etwas Krampflösendes und gleichzeitig Treibendes hätte.«
Nach einer Stunde endlich kam das Kind. Es war gesund, kräftig und hatte dichte schwarze Haare. Gleich nach dem Abnabeln krähte es, der winzige Brustkorb spannte sich, die Lungen entfalteten sich. Das Leben wurde begrüßt.
Dr. Mohr ging an der alten Indianerin vorbei und stieß die Tür auf. Draußen stand der Bärtige neben Pater Cristobal und raufte sich die Haare. Er wirbelte herum, als mit dem Öffnen der Tür auch der Kinderschrei nach draußen kam.
»Es … es schreit …« stammelte er. Mit vorgestrecktem Kopf starrte er Dr. Mohr an, der ihm zuwinkte: »Es schreit …«
»Alles vorbei!« rief ihm Dr. Mohr zu. »Guten Tag, Papa! Es ist ein Junge.«
»Ein Junge …« Die Schultern des Bärtigen fielen zusammen. »Hören Sie, Pater … ein Junge. Ich … ich habe einen Sohn …«
Er wandte sich ab, legte Pater Cristobal die Hände auf die Schulter und drückte sein Gesicht an die Brust des Priesters. Ein leichtes Schütteln durchzog seinen Körper. Der bullige, sonst durch nichts zu erschütternde Mann weinte.
Nach zwei Stunden, während denen der Bärtige seinen neugeborenen Sohn auf den Armen herumtrug, die Glückwünsche der Frauen und Greise des Camps entgegennahm und sich überhaupt so tapsig benahm wie alle jungen Väter, die erschöpfte Chica dauernd mit der Frage belästigte, ob es ihr gut gehe, und sie immer wieder streichelte, sprach Dr. Mohr ein Machtwort.
»Raus mit allen!«
»Schon wieder?« Der Bärtige saß auf der Bettkante und spreizte kampfeslustig die Beine. »Das Kind ist da und gesund, Chica hat alles gut überstanden, was ist denn nun schon wieder?«
»Die junge Mutter muß Ruhe haben und schlafen.«
»Wer hindert sie daran?«
»Sie mit Ihren dämlichen Fragen: Geht's dir gut? Hast du Schmerzen? Ach, mein Vögelchen, ich bin ja so glücklich. Das hält keiner aus!«
»Sie tragen ihr Herz wohl unter der Schuhsohle, was? Können Sie sich nicht vorstellen, wie glücklich ich bin?«
»Das können Sie jetzt den Bäumen und den Felsen da draußen erzählen. Chica aber braucht absolute Ruhe! Fast 20 Stunden hat sie in den Wehen gelegen, das überlegen Sie sich nicht, was? Sie verdammter Egoist!«
Der Bärtige erhob sich, ging zur Tür und blieb vor Simpson stehen, der auf dem Metallkoffer saß und mit saurer Miene ein Glas Milch trank. Ziegenmilch, gelblich und fett.
»Habe ich schon danke gesagt?« fragte er.
»Nee.« Dr. Simpson winkte ab. »Nicht nötig. Erwartet man von Ihnen gar nicht.«
»Ersticken Sie an Ihrer Ziegenmilch!«
»Ich bin kurz davor!«
»Dieser Arzt macht uns alle fertig, wissen Sie das?« Der Bärtige nickte nach hinten. »Ein raffinierter Hund! Erst die sanfte
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