Der Fluch der Hebamme
Granatsteinen verziert, einer Königin würdig. Mit solchem Prunk konnte er sie nun überhäufen und dafür entschädigen, dass sie, die Tochter eines mächtigen Fürsten, einem damals vergleichsweise unbedeutenden Markgrafensohn als Frau zugesprochen wurde. Doch das war lange her. Inzwischen war er dank seiner Klugheit – und auch ihrer, wie er in diesem Moment durchaus einzugestehen bereit war – zu einem der reichsten Fürsten aufgestiegen.
Ja, er hatte dafür gesorgt, dass aus dem rohen, unscheinbaren Erz Unmengen von Silber wurden, das seine Truhen füllte.
Er
hatte aus dem unscheinbaren Weiler Christiansdorf mitten im Dunklen Wald eine erblühende Stadt gemacht – mit einer Burg, vier Kirchen, einem Handwerkerviertel, der Bergmannssiedlung, dem bekanntermaßen besten Hurenhaus der Mark und sogar einer Judensiedlung, von der aus Handel bis ins Morgenland getrieben wurde.
Das alles war
sein
Verdienst.
Und jene, die einst geringschätzig auf ihn herabgesehen hatten, weil er nur über ein kleines, kaum erschlossenes Gebiet weitab im Osten herrschte, die platzten fast vor Neid, wenn sie sahen, in welch prachtvolle Gewänder er seine Frau und seine Ritter zu den Hoftagen des Kaisers hüllen konnte und wie gut befestigt er die markgräfliche Burg von Meißen inzwischen hatte.
Nur eines schmälerte seinen Triumph, abgesehen von der Gicht, die ihn so plagte …
Kaum vorstellbar, dass der Kaiser, der auch schon fast siebzig Jahre zählte, tatsächlich noch zu einem Kriegszug bis nach Jerusalem reiten wollte, um die Heilige Stadt zurückzuerobern, die vor zwei Jahren den Ungläubigen in die Hände gefallen war. Allein die Vorstellung, solch eine weite Strecke im Sattel zurückzulegen, ließ Otto erschauern. Ganz zu schweigen von den Entbehrungen, die die Wallfahrer erwarteten: sengende Hitze, gefährliche Überfahrten, Seuchen, Überfälle von Sarazenen … alles schon, bevor der eigentliche Kampf begann. Entweder hatte Friedrich von Staufen den Verstand verloren, oder er musste bei beneidenswerter Gesundheit sein.
Andererseits – er war der Kaiser. Von Gott gesalbt. Vielleicht quälte einen von Gott Berührten nicht so etwas Alltägliches wie die Gicht.
Ich schweife schon wieder ab, rief sich Otto zur Ordnung.
Wenn ihn auch sein Körper immer öfter schmählich im Stich ließ, sein Verstand war glasklar, sofern nicht blanke Wut ihn packte. Und so gestand er sich ein, dass all das, was ihm bisher durch den Kopf gegangen war, nur als Vorwand diente, um das Unvermeidliche aufzuschieben.
Glücklicherweise ließ sich seine Gemahlin trotz seines andauernden Schweigens keinerlei Neugier anmerken.
Wie er sie kannte, wusste sie wohl längst, worum es in diesem Gespräch gehen würde. Schließlich hatte sie in dieser betrüblichen Angelegenheit jahrelang auf ihn einzuwirken versucht, bis er mit unendlichem Entsetzen begriff, dass sie recht hatte und ihre Warnungen nicht nur weiblichen Grillen entsprangen.
Trotz der vielen hässlichen Streitereien in all den Ehejahren sollte er Gott wohl danken, ihm ein so kluges und taktvolles Weib an die Seite gestellt zu haben – Eigenschaften, die er jetzt erst zu schätzen gelernt hatte.
Ich kann es nicht länger hinauszögern, dachte der alte Markgraf und räusperte sich. Auch wenn es ihm unendlich schwerfiel, gestand er leise: »Ich brauche deinen Rat und deine Hilfe.«
Hedwig sah auf und musterte ihren Mann wortlos. Als Otto erneut zögerte, war sie gänzlich sicher, worum es nun gehen würde.
Am liebsten wäre sie aufgestanden, um nachzusehen, ob niemand vor der Tür stand und lauschte. Doch dies wäre ein zu beschämendes Verhalten gewesen – auf solche Art den Verdacht einzugestehen, dass sie in ihrer eigenen Kammer, auf ihrer Burg belauscht wurden.
Selbstverständlich waren sie von unzähligen heimlichen Kundschaftern umgeben: Handlanger des Bischofs und des kaiserlichen Burggrafen, die ebenfalls ihren Sitz auf dem Meißner Burgberg hatten, des Landgrafen von Thüringen, mit dem sie seit dessen Herrschaftsantritt in Streit lagen, des Kaisers, der wissen wollte, was in seinem Reich vor sich ging, während er zum Kriegszug rüstete, des böhmischen Königs, der ein Auge auf die Mark Meißen geworfen hatte, und von wer weiß wem noch. Es wäre einfältig,
nicht
davon auszugehen, dass womöglich die Hälfte ihrer Bediensteten Auskünfte über das Geschehen im Palas des Markgrafen von Meißen an jeden erdenklichen Interessenten verkaufte.
Nicht nur Ottos
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