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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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danach, die Kutte anzulegen und meine alten Tage im Gebet zu verbringen. Aber vielleicht ist das der einzige Weg. Wenn Albrecht noch lange warten muss, wird er früher oder später mich und seinen Bruder aus dem Weg räumen.«
    Hedwig drehte nachdenklich an einem Ring, den ihr Otto geschenkt hatte, während sie nach Worten suchte. Seit so vielen Jahren hatte sie immer wieder überlegt, wie sie das schlimmste Unheil für das Land vermeiden konnte, wenn ihr Mann starb. Und das schlimmste Unheil für das Land war Albrecht: skrupellos, jähzornig und unberechenbar, obgleich er noch den gehorsamen Sohn spielte.
    Skrupellos, jähzornig und unberechenbar war Otto auch. Doch er hatte sich behutsam lenken lassen und sich klugen Einwänden nie verschlossen, wenn es um das Wohl des Landes ging.
    »So weit ist es gekommen, dass wir uns vor unserem eigen Fleisch und Blut fürchten müssen«, meinte der alte Markgraf bitter.
    »Ja, so weit ist es gekommen«, stimmte Hedwig ihm zu, und die feinen Falten um ihre Mundwinkel vertieften sich.
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen zwischen ihnen beiden.
    »Rechne damit, dass ein Teil deiner Leibwachen längst insgeheim in Albrechts Diensten steht«, sprach Hedwig dann leise weiter. »Du weißt, ich traue ihrem Anführer nicht. Aber du kannst ihn nicht einfach so ablösen.«
    Elmar, der Anführer von Ottos Leibwache, wirkte auf den ersten Blick wie ein Pfau. Er war immer aufs vornehmste gekleidet, und seit sein stets sorgfältig gekämmtes rötliches Haar spärlich geworden war, hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, die Spitzen seines Schnurrbartes hochzuzwirbeln. Eine lächerliche Gepflogenheit, wie Hedwig fand. Doch wer sich vom Äußeren des Ritters täuschen ließ, beging einen großen Fehler. Nicht umsonst galt er als unbesiegbar im Schachspiel. Er durchdachte auch seine Ränke auf etliche Züge voraus, davon war die Markgräfin überzeugt.
    »Du musst die Wache mit vertrauenswürdigen Männern verstärken. Einen Vorwand können wir ersinnen, meinetwegen das Gerücht, jemand plane einen Überfall auf dich …«
    »Es wäre ja nicht der erste«, brummte Otto.
    »Schare Männer um dich, denen du bedingungslos vertrauen kannst«, flüsterte Hedwig.
    »Und wer soll das sein?« Ottos Misstrauen war mittlerweile so allumfassend wie seine schlechte Laune.
    »Lukas von Freiberg. Raimund von Muldental. Und ein paar von ihren Getreuen«, zählte Hedwig sofort auf. »Wir könnten Raimunds Sohn als Boten schicken. Niemand wird Verdacht schöpfen.«
    »Mir fällt auf, dass du immer noch Christians Freunden anhängst, obwohl der längst tot ist«, knurrte Otto.
    »Dann halte dir vor Augen, dass er in den Tod gegangen ist, um dir die Augen über das wahre Wesen deines Erstgeborenen zu öffnen!«, mahnte Hedwig streng.
    Sie zögerte einen Augenblick, bevor sie die nächsten Worte aussprach, die noch jemanden mit ins Verderben reißen konnten.
    »Wir sollten auch Lukas’ Frau kommen lassen, Christians Witwe. Erinnerst du dich noch daran, was geschah, als sie das erste Mal hier auf dem Burgberg war?«
    Otto wusste sofort, was seine Frau meinte.
    »Die Sache mit dem vergifteten Wein?«
    »Ja. Sie hat es damals erkannt. Hätte ich getrunken, wäre ich gestorben. Wir sollten sie ab sofort in unserer Nähe haben.«
    »So weit ist es also gekommen …«, wiederholte Otto und lehnte sich müde zurück.
    Auch wenn es das Eingeständnis einer Niederlage war – er würde nach den Genannten schicken lassen, wenn er aus Döben zurückkam.
    »Ja, mein Gemahl«, sagte Hedwig bitter. »So weit ist es gekommen.«
    Sie streckte ihm die Hände entgegen, um nach seinen zu greifen. Zum ersten Mal seit Jahren berührte sie ihren Mann freiwillig.
    »Wir sollten uns auf das Schlimmste gefasst machen.«

Brautwerbung
    L ukas und Marthe wohnten in jenem Teil der Stadt, in dem vor mehr als zwanzig Jahren die ersten Gehöfte von Christiansdorf entstanden waren.
    Die Ursprünge des Dorfes ließen sich kaum mehr erkennen. Anstelle der Felder waren längst Gruben angelegt, das Handwerkerviertel und das Burglehen waren entstanden, Wall und Graben umschlossen Stadt und Burg.
    In dem Steinhaus, das Christian hatte errichten lassen, lebten mit ihnen Clara und Lukas’ Söhne: sein Erstgeborener, der achtjährige Paul, den er mit einer Magd gezeugt hatte, der siebenjährige Lukas, der bald sein Zuhause verlassen würde, um als Page und später als Knappe ausgebildet zu werden, und der vierjährige Konrad, sein

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