Der Fluch der Hebamme
Dompropst mit einem Mal mehr Schwierigkeiten am Hals, als er aus der Welt schaffen konnte. Die frommen Brüder in Marienzelle waren aufgescheucht wie Hühner beim Auftauchen eines Fuchses angesichts des Raubes in ihrem Allerheiligsten, die Kirche hatte die gewaltige Summe von dreitausend Mark Silber eingebüßt. Und – was das Allerschlimmste war – vor den Augen der Welt hatte der neue Markgraf gezeigt, dass er mehr Macht besaß als der Abt eines Klosters und der Stellvertreter des Bischofs.
Wie verhängnisvoll! Ungehalten schickte Dittrich von Kittlitz den viel zu duldsamen Abt wieder nach Marienzelle, damit er seine Brüder beruhigte, und begann nachzugrübeln, wie er nun noch die Machtverhältnisse auf dem Burgberg zu seinen Gunsten wenden konnte.
Der Fluch
N atürlich hatten sich die Geschehnisse im Kloster in Windeseile auf dem Meißner Burgberg herumgesprochen. Die schweren Truhen in die Silberkammer zu schaffen, war auch nicht gerade unauffällig. Allerdings wurde der Zwischenfall nur höchst vertraulich erörtert, doch er schürte die Angst vor dem neuen Herrscher, den offensichtlich nicht einmal Gott zur Verantwortung zu ziehen wagte.
Der Burgberg füllte sich allmählich mit angesehenen Gästen aus allen Teilen des Landes, die anreisten, um mit dem nunmehrigen Gebieter der Mark Meißen das Osterfest in großer Pracht zu feiern und sich dabei das Wohlwollen des neuen Fürsten zu sichern. Vögte, Herren über große Güter, Ritter aus alteingesessenen Familien trafen ein, um Albrecht ihre Treue und Ergebenheit zu schwören.
Noch war der große Tag nicht heran; das Fest sollte zusammen mit dem Fastenbrechen am Sonntag gefeiert werden. Doch Lukas, Marthe und auch Reinhard waren schon für Mittwoch nach Meißen befohlen worden und fragten sich, was das wohl zu bedeuten hatte.
»Wir hätten nicht hierherkommen sollen; er führt etwas Furchtbares im Schilde«, sagte Marthe leise.
»Wenn wir fliehen wollten, hätten wir es gleich nach Ottos Tod tun müssen«, raunte Lukas zurück und drückte ihr unter dem Tisch die Hand, um ihr Mut zu machen.
Die Halle war an diesem Tag schon dicht gefüllt mit angesehenen Gästen. Auch Lukas und Marthe trugen ihre besten Gewänder und unterhielten sich nur leise, denn neben ihnen hatten die Herren der Nachbardörfer von Freiberg einen Platz zugewiesen bekommen. Berthold trug Lukas immer noch nach, dass dieser ihm nach dem Brand des Kornfeldes die Silbermünzen weggenommen hatte, um damit den Bauern für die verlorene Ernte zu entschädigen. So saß nun der Herr von Bertholdsdorf zwischen seinen befreundeten Nachbarn Tuto und Conrad, verlor gelegentlich eine herablassende Bemerkung und sah dabei zu Lukas. Ihn zu einem offenen Kampf herauszufordern, hütete er sich allerdings, und so blieben seine Spitzen harmlos genug, damit Lukas sie überhören konnte. Heute beschäftigten ihn dringendere Dinge als die Sticheleien ein paar neidischer Dorfbesitzer, für die er ein paar spöttische Erwiderungen hatte, die ihn eindeutig zum Sieger dieser Wortgefechte machten.
Es wurden bereits die letzten Gänge der Abendmahlzeit aufgetragen, in Honig eingelegte Früchte und Backwerk in Form des meißnischen Löwen und der markgräflichen Burg, das mit Fruchtsäften so farbenprächtig verziert worden war, dass es den Gästen begeisterte Rufe entlockte.
Der Spielmann Ludmillus trat vor und verneigte sich tief vor dem Fürsten und seinen Nachbarn an der hohen Tafel. Sowohl die Fürstin als auch der Dompropst fehlten. Es hieß, Sophia sei krank. Die Abwesenheit Dittrichs von Kittlitz wurde als klares Zeichen seines Grolls über den Klosterraub ausgelegt.
Alle Blicke richteten sich bereits auf den Spielmann. Doch Albrecht gebot ihm mit einer Handbewegung, zu warten.
»Bevor wir uns der Minne widmen oder anlässlich der bevorstehenden Feiertage einem Lobgesang auf Gott lauschen, ist noch eine Angelegenheit von großer Wichtigkeit zu klären«, kündigte er an. Jedermann starrte zu ihm, und mancher hielt den Atem an, ob nun wohl etwas besonders Erfreuliches oder besonders Schreckliches abgehandelt werden würde.
»Ihr alle seid gekommen, um mich Eurer Treue zu versichern. Und etliche von Euch leisteten mir diesen Schwur bereits«, rief Albrecht und ließ seinen Blick streng über die Versammelten schweifen. Die eben noch geräuschvolle Runde war verstummt, erst zur Hälfte geleerte Becher wurden möglichst leise auf den Tischplatten abgestellt, das kunstvolle Backwerk plötzlich keines
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