Der Fluch der Hebamme
sein, mein Sohn«, sagte der Abt zu ihm, der die Worte wohl verstanden hatte. »Vor solcher Roheit kann uns jetzt nur Gott schützen.«
Er faltete die Hände und sank auf die Knie.
»Allmächtiger Vater, …«
Mit gebieterischen Schritten ging Albrecht an seinem Marschall und dem betenden alten Zisterzienser vorbei und packte so viele Silberbarren, wie er mit beiden Händen fassen konnte. Dann drehte er sich zu seinen Männern um und hielt das Silber hoch.
»Seht her! Ich habe es vom Altar genommen, und kein Blitzstrahl streckt mich nieder! Die Erde reißt nicht auf und verschlingt mich. Das Silber gehört
mir
!«
Nun wandte er sich zu dem knienden Abt um und hielt ihm die Barren vors Gesicht. »Sieh her, alter Mann! Seht! Ich kann es berühren, und es verbrennt mir nicht die Haut! Ich kann es vom Altar nehmen, und Gott hat nichts dagegen einzuwenden. Es ist
mein!
«
Berauscht von seinem Triumph, befahl er den Männern, alles Silber zu nehmen und in die Truhen zu packen, mit denen er vorsorglich zwei Ochsengespanne beladen hatte.
Zögernd gehorchten sie. Gerald überwachte die Ausführung des Befehls, ohne selbst einen Barren anzurühren.
Draußen gab Elmar Anweisung, dass die Reisegesellschaft sofort aufbrechen würde. Verwundert starrte Sophia ihn einen Augenblick lang an, doch dann senkte sie wieder die Lider und wagte es nicht, nach den Gründen dafür zu fragen. Sie scheuchte ihre Hofdamen auf, die sich gerade im Gästehaus niedergesetzt hatten und auf eine Erfrischung hofften, und ließ sich ihren Schimmel bringen.
Zufrieden sah Albrecht, wie die letzten Barren in den Truhen auf den Trosskarren verstaut wurden.
Dann wandte er sich zu Elmar und sagte: »Sie waren gewarnt. Findet heraus, woher die frommen Brüder wussten, dass ich mein Silber zurückverlangen werde!«
»Es gibt nur einen, der Eure Pläne verraten haben kann«, sagte Elmar und blickte fragend zu Gerald: »Oder muss ich deine Treue auch in Frage stellen?«
»Natürlich nicht«, antwortete der Marschall eilig.
»Ich hatte ihn übrigens schon lange im Verdacht«, verriet Elmar. »Und womöglich ist sein Verrat viel größer, als wir glauben wollen. Wie mir mein Ziehsohn berichtete, gehen er und sein Weib insgeheim überaus vertraut miteinander um. Vielleicht war sogar diese Hochzeit eine List und ihr Abscheu nur gespielt.«
Albrecht hieb seinen Reitstock wütend durch die Luft.
»Dafür schlag ich ihm den Kopf ab!«, zischte er.
»Trotzdem sollten wir vorerst noch für uns behalten, was wir wissen«, schlug Elmar vor. »Morgen ist der Tag der Abrechnung, vor aller Augen, damit jeder sieht, was denen geschieht, die sich Euch widersetzen. Ich habe es genau vorbereitet. Und dann feiern wir das Osterfest in aller Pracht, befreit von Verrätern und lästigem Ungeziefer.«
Als die letzten Reiter durch das Rundportal des Klosters verschwunden waren, sank Abt Peter auf die Knie und richtete die Arme zum Himmel. »Warum, Herr, hast Du das zugelassen? Und warum schickst Du diesen gottlosen Menschen über uns?«
In dieser Nacht würde wohl keiner der Brüder Schlaf finden. Solch eine ruchlose Tat hatten die meisten von ihnen zeit ihres Lebens noch nicht erlebt. Am besten, sie beteten gemeinsam. Und morgen würde er nach Meißen gehen müssen, um dem Dompropst von dem Unglaublichen zu berichten. Was würde wohl Dittrich von Kittlitz dazu sagen?
Der höchste geistliche Würdenträger auf dem Meißner Burgberg hatte Mühe, seinen Zorn zu bändigen, als er durch den Zisterzienserabt von dem dreisten Raub im Kloster erfuhr. Doch er war klug genug, sofort zu begreifen, dass er derzeit keinerlei Handhabe gegen Albrecht hatte. Da Gott den Räuber nicht mit einem Blitzstrahl niedergestreckt oder anderweitig an seinem schändlichen Tun gehindert hatte, schien der neue Markgraf vor aller Welt im Recht zu sein. Und der Abt konnte nun einmal kein Schriftstück vorweisen, das dem Kloster diese gewaltige Summe rechtmäßig zusprach.
Hätte der Bruder in seiner frommen Einfalt wenigstens früher gehandelt und sich vor Albrechts Auftauchen an ihn gewandt! Für den Dompropst wäre es keine Schwierigkeit gewesen, eine passende Urkunde täuschend echt nachfertigen zu lassen. Es gab wahre Meister, die sich auf derlei hervorragend verstanden, und gleich mehrere davon arbeiteten für ihn. Doch dazu war es nach dem Eingeständnis des Abtes zu spät; ein »zufälliger« Fund eines solchen Pergamentes wäre nicht mehr glaubwürdig.
Dadurch hatte der
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