Der Fluch der Hebamme
auf der Suche nach einem Weg, Lukas und Marthe Nachricht zukommen zu lassen, damit sie sofort flohen, falls sich die Sache hier gleich übel zuspitzen würde. Aber so viele heimliche Helfer sie auf der Freiberger Burg auch hatten – in dieser Kammer war niemand außer Albrecht und seinen engsten Vertrauten, und er konnte den Raum nicht verlassen, ohne sofort Verdacht zu erregen. Im schlimmsten Fall musste er das in Kauf nehmen und mit Clara ebenfalls fliehen. Nur – wie weit konnte er kommen mit einer Frau, die kurz vor der Niederkunft stand? Wie sollte er sie und das Ungeborene in Sicherheit bringen?
»Verlangt doch einfach vom Abt die Schenkungsurkunde zu sehen, wenn Ihr heute Nachmittag im Kloster eintrefft, um dort das Vogtamt zu übernehmen«, schlug Elmar vor. »Dann werden sich die Dinge schon klären. Und falls es keine Urkunde gibt, vermögt Ihr mit Fug und Recht Anspruch auf das Geld zu erheben.«
»Das werde ich!«, entschied Albrecht wütend. »Veranlasst alles für unseren sofortigen Aufbruch!«
Elmar verneigte sich und ging nach draußen, um die entsprechenden Befehle zu erteilen.
»Euch, Reinhard, sehe ich in zwei Tagen in Meißen. Bringt Euern Schwiegervater mit und behaltet ihn genau im Blick!«
»Natürlich, Durchlaucht. Erlaubt Ihr, dass mein Weib der Zeremonie fernbleibt? Die Niederkunft steht unmittelbar bevor …«
»Erspart mir ihren Anblick! Aber Euer Schwiegervater soll auf keinen Fall ohne sein Weib kommen.«
Elmar hatte Andeutungen gemacht, dieses lästige Paar endlich bald loswerden zu können – und noch einen Verräter dazu. Mehr hatte er nicht sagen wollen, sondern um ein paar Tage Geduld gebeten und versichert, die Fallstricke seien ausgelegt und die Beute diesmal sicher.
Er konnte es kaum erwarten.
Während auf dem Freiberger Burghof die Pferde für den Aufbruch des Markgrafenpaares und seines Gefolges gesattelt wurden, suchte Reinhard nach Lukas und berichtete ihm leise von der morgendlichen Unterredung. Sie waren sich schnell einig darin, dass ihnen nicht mehr zu tun blieb, als den Abt zu warnen. Entweder konnte er eine Schenkungsurkunde vorweisen, oder Albrecht musste sich mit einem Schwur auf das Altarkreuz zufriedengeben. Das Silber in einem Kloster mit Waffen schützen zu wollen, war zwecklos. Außerdem hätten sie dafür gar nicht genug Kämpfer aufzubieten. Es würde zu schrecklichem Blutvergießen kommen, vielleicht sogar zum Krieg in der Mark, sollten sie sich bewaffnet gegen Albrecht stellen. Die Mönche mussten auf Gott vertrauen.
Um sie zu warnen, schickte Reinhard seinen Stallknecht auf einem schnellen Pferd nach Marienzelle, noch bevor die fürstliche Reisegesellschaft zum Aufbruch bereit war.
»Dieser Rutger schleicht hier herum und starrt mich auf eine Art an, dass ich am liebsten unsichtbar wäre«, gestand Clara ihrem Mann, während sie von einem Fenster aus zusah, wie sich Albrechts Gefolge zur Abreise nach Marienzelle und Meißen aufstellte. »Gestern bei dem Festmahl hatte ich das Gefühl, dass er mich nie aus den Augen lässt und irgendetwas ausheckt. So, als sei sein Triumph schon sicher …«
»Ihn musst du nicht fürchten«, versuchte Reinhard sie zu beruhigen. »Er ist ein eingebildetes Bürschlein, das glaubt, durch den Einfluss seines Ziehvaters schnell aufsteigen zu können. Soll ich ihn mir noch einmal vornehmen?«
»Unterschätze ihn nicht!«, meinte Clara düster. »Vergiss nie, wer sein Vater war. Er will sich rächen. Und er macht mir wirklich Angst. Schon lange.«
Ihr fröstelte, und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Dabei hatte sie kaum noch andere Wahrnehmungen als ihren schweren Leib und die ungestümen Bewegungen des kleinen Wesens, das in ihr heranwuchs und bald ans Licht drängen würde. Auch wenn sie es ihrem Mann nie eingestehen würde – sie
hatte
Angst vor der Niederkunft, obwohl sie kaum erwarten konnte, das Kind endlich in den Armen zu halten.
Vielleicht war es auch diese Furcht, die sie schon überall Böses vermuten ließ.
Aber der hasserfüllte, triumphierende Blick Rutgers … Sie sah seine verächtliche Miene immer noch vor sich.
»Ich behalte ihn im Auge, wenn ich in Meißen bin«, versprach Reinhard. »Und sollte er nur irgendeine herablassende Bemerkung über dich oder deine Mutter machen, nehme ich ihn mir vor. Das kann mir auch Elmar nicht verbieten.«
Mit beiden Händen strich er über ihren gewölbten Leib und küsste ihren Hals. »Viel mehr Sorge macht es mir, dich hier allein zu
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