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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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einen der Fernhändler um Hilfe bat und das durch Zufall herauskam, würde vermutlich die ganze jüdische Gemeinde dafür büßen müssen. Das konnte er nicht wagen.
    Den meisten Erfolg versprach es, zu warten, ob Kuno und Bertram am nächsten Tag kommen würden. Vielleicht hatten sie einfach nicht schnell genug Nachricht aus Meißen erhalten. Doch es fiel ihm unendlich schwer, hier im Versteck zu hocken und nichts zu tun, während Marthe gequält und seine Anhänger verfolgt wurden. Nur die Einsicht, dass er ohne Waffen und Pferd und vor allem allein nichts ausrichten konnte, hielt ihn davon ab, zurück nach Meißen zu stürzen und sich unbesonnen auf ein tödliches Unterfangen einzulassen. Damit wäre niemandem geholfen.
     
    Auch der Montag verstrich, ohne dass sich jemand in der Nähe der winzigen Höhle blicken ließ.
    Gleich am Dienstagmorgen brach Lukas auf. Sein Plan war gefasst, wenn auch nur in den Anfangszügen ausgearbeitet. Mit allem Übrigen musste er sich auf sein Glück und seine Geistesgegenwart verlassen.
    Die Kleider, die ihm Gerald gegeben hatte, waren die eines einfachen Mannes. Also zog er sich die Gugel tief ins Gesicht und ging zu den Scheidebänken vor dem Donatstor. Schmutzig genug war er, um einigermaßen unkenntlich zu sein.
    Die Bergleute waren schon in die Gruben eingefahren, nun standen die Frauen und Kinder dort, müde so zeitig am Morgen, und zertrümmerten die Erzbrocken, die in schweren Körben und ledernen Eimern aus den Gruben gefördert wurden. Es war eine mühsame, eintönige Arbeit. Er hielt Ausschau, ob er unter den älteren Frauen die Witwe Elfrieda entdeckte, doch sie war nirgendwo zu sehen. Die gewitzte Alte würde ihm vielleicht helfen. Marthe hatte viel aufs Spiel gesetzt, um ihrer Nichte Bertha beizustehen.
    Etwas abseits, im Schutz einer dicken Eiche, wartete er, bis eines der Kinder zu den Büschen lief, um seine Notdurft zu verrichten. Kurz davor trat er ihm entgegen. Der Kleine erschrak.
    »Hab keine Angst!«, versuchte er, den Jungen zu beruhigen, der sechs oder sieben Jahre zählen mochte. »Ich suche die alte Elfrieda, eine Witwe. Ich bin ein Verwandter von ihr und habe sie lange nicht gesehen. Kannst du sie herholen?«
    Der Junge musterte ihn neugierig, schien ihm aber seine Geschichte zu glauben. »Du willst ihr doch nichts Böses tun?«, vergewisserte er sich trotzdem.
    »Nein, wirklich nicht. Ich bin der Bruder ihres Mannes, nun selbst verwitwet und wollte ihr in ihrer Not mit ein paar Pfennigen beistehen.«
    »Das ist gut!«, meinte der Kleine. »Sie ist ziemlich arm, weißt du. Aber seit ein paar Tagen hat sie eine neue Stellung. Sie ist jetzt Magd bei dem neuen Hauptmann der Burgwache.« Und schon beschrieb ihm der Junge den Weg zu seinem eigenen Haus.
    Lukas verbarg seine Gedanken und ließ sich den Weg zweimal beschreiben, um keinen Argwohn zu erregen. Dann schlug er den Pfad Richtung Donatstor ein, bis er sicher war, dass der Junge nicht mehr Ausschau nach ihm hielt.
    Am liebsten würde er sofort erfahren, welche Ratte sich jetzt in seinem und Marthes Haus eingenistet hatte – ein Haus, das eigentlich das rechtmäßige Erbe von Thomas war, wenn er volljährig war und lebend von seiner Pilgerfahrt zurückkam. Er hatte so einen Verdacht … Aber hinter der Tat, die hässliche Alte als Magd ins Haus zu holen, erkannte er sofort Peters Schläue, um Anna zu schützen. Gut gemacht, Junge!, dachte er.
    Nur blieb ihm jetzt nichts anderes übrig, als einen weitaus gefährlicheren Versuch zu unternehmen, um zu seinen Getreuen zu finden.
    Er konnte keines der Stadttore passieren. Dort würden bestimmt überall Wachen ein, die gar zu begierig darauf waren, den auf seinen Kopf ausgesetzten Lohn einzustreichen. Der Einzige, der außerhalb der Stadtmauer arbeitete, war Karl, der Ratsherr und Bergschmied. Er hatte seine Schmiede in der Nähe der größten Gruben, und jeden Tag kamen die Häuer zu ihm, um ihre am harten Gestein stumpf gewordenen Eisen nachschmieden zu lassen.
    Es war gefährlich; er musste damit rechnen, dass sämtliche seiner Anhänger überwacht wurden. Deshalb beobachtete Lukas erst eine ganze Weile aus einer sicheren Deckung, ob sich jemand Verdächtiges in der Nähe der Bergschmiede herumtrieb. Doch da war nur ein Häuer, der sein Gezähe gegen ein anderes austauschte – vierundzwanzig an einem Bügel aufgefädelte Eisen, die einzeln auf den Stiel aufgesetzt wurden, bis sie von der Arbeit stumpf waren und ausgewechselt werden mussten. Wer

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