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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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fliehen?«
    Das war auch Lukas’ erste Sorge gewesen – und die nächste, dass nun vielleicht die ganze Familie des Schmiedes sofort die Stadt verlassen musste, um außer Gefahr zu sein. Seinetwegen. Wie viele Menschen mussten noch leiden durch seine Fehlentscheidung?
    »Nein. Ich bringe gute Neuigkeiten. Zumindest hoffe ich, dass es gute sind«, meinte der junge Schmied und duckte sich, um durch den schmalen Stollen zu kommen, ohne mit den Schultern oder dem Kopf anzustoßen.
    »Nun rede schon!« Lukas konnte seine Ungeduld nicht verbergen.
    »Eure Frau – sie ist aus dem Kerker verschwunden. Ohne eine Spur. Niemand hat eine Erklärung dafür, und Fürst Albrecht hat vor Wut bald der Schlagfluss getroffen.«
    »Hast du Nachricht von dem Waffenmeister oder dem Marschall, wo sie ist?«, fragte Lukas mit jäh aufflackernder Hoffnung. Es gab keine andere Erklärung, als dass die beiden es geschafft hatten, Marthe in Sicherheit zu bringen.
    »Nein, sie können es nicht gewesen sein«, sagte Guntram bedrückt.
    »Wieso? Nun lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!«, fuhr Lukas ihn voller Ungeduld an, obwohl er wusste, dass er dem jungen Mann eigentlich dankbar sein sollte für alles, was er gewagt hatte.
    Guntram hockte sich auf den Boden, um nicht länger gekrümmt in dem niedrigen Stollen stehen zu müssen. »Ihr könnt Euch vorstellen, was für ein Tumult auf der Burg ausbrach, als sie feststellen mussten, dass Ihr aus dem Verlies verschwunden wart und stattdessen dort vier tote Wachen lagen. Seine Durchlaucht tobte und ließ alles durchsuchen – ohne eine Spur von Euch zu finden«, berichtete er. »Mir haben sie merkwürdigerweise geglaubt, dass in der Nacht noch alles in Ordnung war, als wir Euch foltern sollten. Aber da er den Waffenmeister mit seinem Kopf dafür haftbar gemacht hatte, dass keiner der Gefangenen entkommt, ließ er ihn hinrichten. Und der Marschall ist zur Strafe für sein Versagen in Ungnade und bis auf weiteres in Gewahrsam. Doch Eure Frau ist erst danach verschwunden.«
    Lukas war zumute, als hätte ihm jemand die Faust in den Magen gerammt. Seine aufflackernde Hoffnung erlosch so schnell, wie sie gekommen war.
    Während die anderen ein Gebet für den Toten sprachen, rasten seine Gedanken auf der Suche nach einer Erklärung. Wenn nicht Hartmut – Gott sei seiner Seele gnädig! – und Gerald Marthe hatten befreien können, wer dann? Raimund oder sein Bruder Jakob hätten einen Weg gefunden, ihm Nachricht zu schicken, wenn ihnen dieser Handstreich geglückt wäre. Aber wie hätten sie das schaffen sollen, da seit seiner Flucht Marthes Verlies bestimmt doppelt bewacht wurde?
    Als sie vor vielen Jahren aus dem Kerker des Bischofs verschwunden war, war Christian außer sich vor Verzweiflung gewesen, überzeugt davon, sie sei tot und jemand habe ihren Leichnam verscharrt. Damals hatte er, Lukas, fest daran geglaubt, dass Marthe noch lebte. Doch nun vermochte er das nicht mehr. Sie konnte nicht zweimal solch ein Glück haben. Sie musste tot sein. Es gab keine andere Erklärung.
    »Der Waffenmeister ließ Euch vor seinem Tod etwas ausrichten – über einen der Knappen, Johannes, den Freund des jungen Herrn Daniel«, fuhr Guntram mit gesenkter Stimme fort. »Er sagte, Ihr sollt Euch keine Schuld an seinem Tod geben. Er hatte als Albrechts Gefolgsmann Christian an seinem letzten Tag im Verlies bewachen müssen und war dabei, als Marthe ihn überreden sollte, sich zu unterwerfen. Das hätte er nie vergessen können. Und er wolle lieber dem Tod ins Auge sehen, als den nächsten aufrechten Mann durch Albrechts Willkür sterben sehen.«
    Noch einer, der meinetwegen in den Tod gegangen ist, dachte Lukas voller Bitterkeit. An meinen Händen klebt mehr Blut, als Gott mir je verzeihen kann. Als ich mir je verzeihen kann.
    Einen Moment lang bedeckte er die Augen mit seiner rechten Hand, nicht auf den Schmerz in den misshandelten Gelenken achtend.
    »Ich habe den Meister gefragt, ob ich über Ostern nach Hause darf. Ich kann also morgen in aller Ruhe zurückkehren und mich weiter umhören«, meinte Guntram, der nun wieder fast zuversichtlich klang.
    Mit dumpfem Blick sah Lukas auf. Die anderen erwarteten von ihm, dass er Guntrams Zuversicht teilte und Entscheidungen traf.
    »Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, dass Marthe lebt«, sagte er, obwohl die Verzweiflung ihn würgte. Er durfte sich vor diesen Männern nicht anmerken lassen, dass er glaubte, seine Frau sei ermordet und irgendwo

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