Der Fluch der Hebamme
Auslauf zu bekommen. Sie konnten es nicht bewegen, es ist zu auffällig. Jeder hier kennt es. Vielleicht machen wir mit Ruß einen Rappen daraus, um es aus der Stadt zu bekommen. Wie gefällt Euch das?«
Lukas fühlte sich beinahe befreit von so viel Vorsorge, die seine Getreuen getroffen hatten.
»Wo kann ich mich mit den anderen treffen?«, fragte er. Es war klar, dass er hier nicht mehr lange bleiben konnte. Dann fiel ihm selbst etwas ein. »In der alten, auflässigen Grube, von der aus wir den Fluchttunnel zum Bergfried gegraben haben? Das Gerücht hat sich doch gehalten, dass dort Berggeister umgehen?«
Das Mundloch lag außerhalb der Stadt, und bei dem Gedanken, von dort aus sogar einen geheimen Zugang zur Burg zu haben, verlockte es ihn sehr, schnurstracks in den Bergfried hineinzuspazieren und dort irgendeinen aufsehenerregenden Racheakt zu unternehmen – vielleicht die Waffenkammer und die Silberkammer auszuräumen oder diesen Rutger durchzuprügeln.
Es fiel ihm wirklich schwer, den verführerischen Gedanken aufzugeben. Er war ein Ritter, kein Räuber, auch wenn er seinem jetzigen Lehnsherrn den Gehorsam verweigert hatte. Und was er gerade erwog, würde ein gewaltiges Strafgericht über die Stadtbewohner heraufbeschwören. War er nicht geblieben, um sie zu schützen?
Vorerst blieb der Fluchttunnel zum Bergfried vom Burgvogt besser unentdeckt. Jeden Tag konnte ein Umstand eintreten, in dem sie ihn brauchten. Wobei er nicht an sich dachte. Sollte er gefasst werden, würde man ihn nicht noch einmal ins Verlies bringen, sondern auf der Stelle töten.
Das Dringendste war jetzt, Marthe zu befreien, auch wenn er noch keine Vorstellung davon hatte, wie ihm das gelingen sollte. Er hoffte inständig, dass Hartmut es schaffte, ihr so lange die rohen Kerle vom Leib zu halten.
Mit Karl verabredete er, dass er und seine Verbündeten sich am Abend in der verlassenen Grube treffen würden. Von da aus gab es einen Durchlass unter den Stadtmauern hindurch, so dass die anderen wieder zurück in ihre Häuser konnten, wenn die Stadttore geschlossen waren. Niemand würde Verdacht erregen.
Erleichtert darüber, dass er nun bald wieder in der Lage sein würde, etwas zu unternehmen, ging Lukas zurück zur Höhle. Er konnte es kaum erwarten, dass der Abend anbrach.
Im Dunkel der aufgegebenen Grube hatte sich eine traute Runde zusammengefunden: die beiden Schmiede Jonas und Karl, Jonas’ ältester Sohn Johann, Peter und Christian, die etwas später kamen, weil sie erst ein paar lästige Beobachter abschütteln mussten, und noch ein paar von ihrer Bande. Nun besaß Lukas wieder Waffen, Rüstung und Kleider, und Emma hatte ihnen mit besten Grüßen einen Korb voll mit Brot, Käse, einem Krug Bier und einem Töpfchen Schmalz mitgegeben.
Mit Hochgefühl probierte Lukas aus, wie das neue Schwert in der Hand lag. Dann zögerte er. »Ich kann dich derzeit nicht dafür bezahlen. Und falls ich gefasst werde, wirst du das Geld wohl nie erhalten.«
»Das wird nicht passieren«, meinte Jonas voller Zuversicht. »Betrachtet es als geliehen, bis Ihr wieder für bessere Zeiten gesorgt habt! Wir sind hier hinreichend entschädigt mit dem Wissen, dass Ihr es denen heimzahlen werdet!«
Bevor Lukas etwas erwidern konnte, mischte sich Karl ein.
»Jetzt geht es darum, Marthe zu retten, nicht um irgendwelche Racheakte!«, ermahnte er den Schwarzschmied.
»Wisst Ihr schon, wie wir vorgehen werden?«, fragte Christian gespannt.
»Ich kann nur Leute mitnehmen, die hier keine Familie haben. Wer jetzt mit mir zieht, kann wahrscheinlich nie wieder in die Stadt zurück, solange Albrecht herrscht. Wenn meine Frau gerettet ist, müssen wir die Mark Meißen verlassen.«
»Ich komme mit Euch«, sagte Peter sofort. »Soll dieser Dreckskerl Rutger seinem Pferd selbst den Arsch putzen!«
»Still!«, flüsterte Jonas und blies rasch das Unschlittlicht aus, das sie mitgenommen hatten. »Es kommt jemand!«
Lukas drehte sich um – und nun sah er es auch. Ein winziger Lichtschein von fern, der sich flackernd näherte. Er stand auf, zog das neue Schwert und schob die Männer im Dunkeln hinter sich.
»Ich bin es, Guntram«, wisperte eine Stimme, die durch die Stille des Stollens trotz der Entfernung klar zu hören war.
Doch Lukas blieb kampfbereit, bis er den zweitältesten Sohn des Schmiedes erkannte und sah, dass er allein kam.
»Junge, was machst du denn hier?«, fragte sein Vater erstaunt und besorgt zugleich. »Musstest du aus Meißen
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