Der Fluch der Hebamme
weiß, warum er nicht schon längst in der Grube war.
Lukas wartete ab, bis der Häuer mit seinem Werkzeug wieder ging, schaute sich noch einmal prüfend um, ob er irgendetwas Verdächtiges sah, dann ging er auf die Schmiede zu – nicht zu schnell und nicht zu langsam, wie ein einfacher Mann, der ein Anliegen hat, vielleicht nach dem Weg fragen oder die Klinge seines Essmessers schärfen lassen will.
Karl stand so, dass er ihn kommen sehen musste, ließ aber durch nichts anmerken, ob er erkannte, wer da auf seine Schmiede zumarschierte. Als Lukas auf ein paar Schritte heran war, sagte er zu seinem Gehilfen, einem jungen Burschen mit rußverschmiertem Gesicht und schweißverklebtem Haar: »Lauf zum Köhler! Wir brauchen noch einen Sack Holzkohle.«
Der Bursche sah leicht verdutzt auf die Vorräte, die etwas abseits lagen, nickte aber gehorsam. Im Losgehen bekam er noch mit, wie Karl den Neuankömmling – eindeutig kein Bergmann, vielleicht irgendein Pilger oder Reisender – fragte: »Was kann ich für dich tun, Fremder?«
Lukas wartete mit der Antwort, bis der junge Bursche verschwunden war, doch da brauchte er gar nichts mehr zu sagen.
»Der Herr sei gepriesen, Ihr lebt!«, stieß Karl erleichtert hervor. »Es gehen die wildesten Gerüchte um in der Stadt. Und Randolfs Sohn hat sich jetzt in Euerm Haus breitgemacht und führt die Wachen an. Ihr könnt Euch nicht in die Stadt wagen, sie suchen überall nach Euch!«
»Abgesehen davon, dass ich lebe, dürften die meisten anderen Gerüchte zutreffen«, sagte Lukas düster. »Wie viel Zeit haben wir, bis der Bursche vom Köhler wiederkommt?«
»Da ich ihm nicht ausdrücklich gesagt habe, er soll sich beeilen, wird er sicher wieder einen Haufen Zeit vertrödeln und sich damit herausreden, dass er den Köhler erst suchen musste«, meinte Karl grinsend und bot ihm Bier aus einer Kanne an, das Lukas gern annahm.
»Ich kann Euch beruhigen; Daniel ist gestern Morgen hier aufgetaucht und hat Clara mitgenommen«, berichtete der Schmied, während Lukas durstig trank. »Johanna ist bei ihnen, und zu ihrem Schutz auch Kuno und Bertram. Deshalb waren wir so in Sorge. Von Guntram wissen wir, dass sie Euch in einer Höhle treffen sollten, aber sie waren schon fort, und niemand von uns kannte diesen Ort.«
Lukas fiel ein Stein vom Herzen. Wenigstens diese Sorge war ihm von den Schultern genommen – vorerst.
»Jeder von uns hat in der Umgebung Ausschau nach Euch gehalten, sooft es ging, ohne Verdacht zu erregen«, fuhr Karl fort. »Aber das war nicht einfach. Sie sind sehr darauf erpicht, Euch in die Hände zu bekommen.«
Mit einer Zange legte Karl ein Stück Eisen in die Glut. Einem zufälligen Beobachter würde auffallen, dass er so lange mit einem Fremden sprach, ohne weiterzuarbeiten. Schaudernd dachte Lukas an die glühenden Eisen, die ihm der Folterknecht ins Fleisch gedrückt hatte.
Der Schmied warf einen prüfenden Blick um sich und fragte: »Was können wir tun, um Euch zu helfen? Und was ist mit Eurer Frau? Niemand weiß etwas Genaues, aber jeder fragt sich, warum sie nicht zurückgekommen ist.«
Lukas wusste, dass sich Karl große Sorgen um Marthe machte. Sie waren zusammen mit dem Siedlerzug hierhergekommen, und am liebsten hätte der junge Karl damals Marthe geheiratet. Stattdessen wurde sie seinem alten Vater zur Frau gegeben, was Karl zu einem Wutausbruch unerhörten Ausmaßes getrieben hatte. Später, unter Randolfs Herrschaft, hatte er zusammen mit Jonas, dem älteren Schmied, eine grausame Strafe auf sich nehmen müssen, weil sie Christian unterstützten. Ohne Marthes und Johannas heimliche Hilfe hätten sie nicht überlebt.
Was sollte er ihm jetzt sagen über Marthes Schicksal? Dass sie seinetwegen im Verlies steckte, gefoltert und geschändet wurde? Er brachte es nicht über sich, das laut auszusprechen.
»Vor allem brauche ich meine Waffen, meine Rüstung und mein Pferd. Und ein paar entschlossene Männer, um Marthe zu befreien.«
Nun zog ein erleichtertes Lächeln über das Gesicht des Schmiedes. »Da haben wir vorgesorgt! Peter hat gleich nach Daniels Ankunft alle Eure Waffen zu mir gebracht, und auch Eure Kleider und den Gambeson. Euer altes Kettenhemd habe ich ausgebessert. Und Ihr könnt von Jonas ein wirklich gutes Schwert bekommen. Der Burgvogt hatte es in Auftrag gegeben, aber der muss sich nun noch etwas gedulden. Euer Fuchshengst ist vorerst bei Hans und Friedrich untergestellt, den Fuhrleuten. Das Tier wird sich freuen, wieder
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