Der Fluch der Hebamme
Gerwin und auf den kleinen Benediktiner haben, verstanden?«
Widerstrebend nickte Rupert.
»Sobald wir Ikonium eingenommen haben, reden wir über deine Schwertleite«, versprach Thomas.
Noch bevor der Junge etwas erwidern konnte, unterbrach sie einer von Dietrichs Reisigen.
»Ihr sollt Euch umgehend beim Grafen einfinden«, meldete er und wies auf eine Ansammlung von Männern zwanzig Schritt entfernt.
Wortlos erhoben sich Roland und Thomas und gingen durch den strömenden Regen. Ein zuckender Blitz, der sich auf halber Höhe verästelte, beleuchtete ihnen einen Augenblick lang den Weg.
Die Besprechung fand im Stehen statt. Tisch und Baldachin waren längst verloren oder verheizt, und niemand mochte sich in die Lachen setzen, die bei jedem Schritt und Tritt aus dem Gras schwappten.
»Unser Kaiser hat ein Ultimatum erhalten«, begann Dietrich von Weißenfels, als die Gruppe seiner Ritter vollzählig war. »Wenn er dem Sultan dreihundert Zentner Gold und das Gebiet der Armenier übergibt, bekommen wir freien Durchmarsch und binnen drei Tagen einen Markt.«
Für einen Moment herrschte Stille unter den Männern angesichts der unglaublichen Höhe dieser Forderung und ihrer Dreistigkeit.
Der Auenweiler war erwartungsgemäß der Erste, der seiner Entrüstung Worte verlieh.
»Seit wann zahlt ein christliches Heer für die Benutzung der Straße?«, brüllte er, und vor lauter Zorn war bei ihm von Schwäche nichts anzumerken. »Dreihundert Zentner
Eisen
kann der Sultan haben – als Schwerter in die Leiber seiner Männer gehauen.«
Von allen Seiten schwirrten nun Rufe durcheinander.
»Das ist wider das Reichsrecht und wider die Absprachen!«
»In drei Tagen sind wir längst verhungert, und das weiß der Sultan genau!«
»Wir verschachern kein christliches Land an die Ungläubigen!«
»Erst der freche Wortbruch des Byzantiners, jetzt solch eine Forderung vom Sultan! Schöne Verbündete haben wir!«
»Jagen wir sie in die Flucht, wie wir es vor ein paar Tagen getan haben!«
Dietrich hob beschwichtigend die Hand, doch diesmal dauerte es länger als sonst, bis Ruhe unter den Männern einkehrte.
»Der Kaiser hat ähnlich wie Ihr geantwortet, Auenweiler. Nur in etwas höflicheren Worten, nehme ich an«, sagte Dietrich mit feinem Lächeln, das jedoch rasch erstarb.
»Also wird morgen in der dritten Stunde das gesamte Seldschukenheer zur entscheidenden Schlacht gegen uns antreten.«
Es war ungewöhnlich, dass an dieser Stelle keine anfeuernden und zustimmenden Rufe erklangen. Zwar begriff jeder der Männer in dieser Runde, dass die Schlacht unausweichlich war – ganz abgesehen von der Schmach, konnten sie nicht umkehren, konnten sie nicht ohne Wegzehrung zurück in die Wüste. Doch ebenso wusste jeder von ihnen, wie gering ihre Aussichten waren. Das Heer hatte große Verluste erlitten und war völlig entkräftet, der Gegner um ein Vielfaches überlegen und hinter starken Mauern gut geschützt.
»Den ersten Angriff wird der Herzog von Schwaben gegen das Haupttor der Stadt führen«, klärte Dietrich sie über den Schlachtplan auf. »Wir gehören dem zweiten Kampfverband an, den der Kaiser selbst anführt und der die Geistlichkeit und den Tross schützt. Nun geht und bereitet euch vor.«
Das war alles, was er sagte. Und seine Männer verstanden:
Bereitet euch vor, zu sterben.
»Ja, das Ausbrennen kannst du dir wirklich ersparen«, war alles, was Roland noch leise zu Thomas sagte.
Dann gingen sie, um einen Priester zu suchen, der ihnen die Beichte abnahm und Absolution für ihre Sünden erteilte.
18. Mai 1190, irgendwo zwischen den königlichen Gärten und den Mauern von Ikonium
J etzt also werde ich sterben, dachte Thomas. Jetzt und hier. Und er war viel zu müde und erschöpft, als dass ihn der Gedanke noch erschrecken konnte.
Niemand von ihnen wusste, ob es der Herzog von Schwaben inzwischen geschafft hatte, das Tor zur Stadt zu stürmen, oder ob er gefallen und seine Streitmacht vernichtet war. Sie waren abgeschnitten vom ersten Kampfverband, umzingelt von einer unüberschaubaren Zahl von Feinden, deren Trommeln dröhnten und deren Siegesrufe gellten.
Die Ritter – es waren nun nicht mehr viele, und die meisten hatten ungewohnterweise zu Fuß kämpfen müssen – stellten sich in einem Kreis um den Kaiser und die hohen Geistlichen auf. Die Bischöfe, unter ihnen auch Martin von Meißen, trugen ihre Messgewänder. Einige von ihnen waren auf die Knie gesunken und hatten die Hände zum Gebet
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