Der Fluch der Hebamme
unvorsichtig war, solange er nicht wusste, wer den Kampf gewonnen hatte. Üblicherweise gingen Knechte und Plünderer über das Schlachtfeld, töteten die überlebenden Feinde oder schleiften die mit sich, von denen sie ein Lösegeld erhoffen konnten.
Doch er schaffte es nicht, sich aufzurichten. Er erkannte gerade noch, dass das ganze Feld von Leichen, Pferdekadavern und abgetrennten Körperteilen übersät und der Boden blutgetränkt war. Dann fiel er zurück in tiefe Dunkelheit.
Wie aus großer Ferne hörte er noch jemanden seinen Namen rufen zwischen all den Schmerzensschreien der Männer, die hier zum Sterben liegen gelassen worden waren. Doch vielleicht hatte er das auch nur geträumt …
Als Thomas wieder zu sich kam, lag er nicht mehr auf dem blutgetränkten, harten Feld, sondern auf irgendetwas Weichem. Wie auf einer Wolke …
War
das
jetzt der Himmel? Aber sein Körper brannte immer noch wie im Fegefeuer, und sein Kopf schien fast zu zerspringen.
Es war ihm unmöglich, die Augen zu öffnen; wieder hörte er eine vertraut klingende Stimme, etwas Kühles wurde ihm auf die Stirn gedrückt, Wasser auf seine Lippen geträufelt, das er gierig mit der Zunge ableckte, und dann war er von dieser winzigen Bewegung schon wieder zum Sterben müde.
»Wach auf! Hörst du, wach auf!«
Die Stimme war unnachgiebig, nun rüttelte ihn auch noch jemand an der Schulter. Eine Hand schob sich in sein Kreuz und richtete ihn behutsam auf.
»Du musst trinken!«
Abermals wurden ihm ein paar Tropfen Wasser auf seine Lippen geträufelt, und dies, zusammen mit der Verheißung, zu trinken, brachte ihn dazu, die Augen zu öffnen.
Nur langsam formte sein Verstand aus den flirrenden Umrissen ein Bild. Roland war an seiner Seite und hielt ihm einen gefüllten Becher vor den Mund, daneben saß Rupert und starrte ihn mit einer Mischung aus Freude und Kummer an.
»Dem Herrn sei es gedankt! Das wurde aber auch Zeit!«, brachte Roland erleichtert aus. Der Freund sah verändert aus, beinahe fremd. Dann erst begriff Thomas, woran das lag: Er war nicht in Rüstung, sondern trug ein helles Übergewand, Staub und Schweiß waren aus seinem Gesicht gewaschen, das lockige braune Haar gekämmt.
Gierig wollte Thomas trinken, doch nach wenigen Schlucken zog ihm der Freund den Becher weg. »Nicht zu viel auf einmal! Deine Mutter würde mir sonst den Kopf abreißen …«
Dann muss ich also wach bleiben, um mehr Wasser zu bekommen, überlegte Thomas. Das war es wert …
»Was ist passiert?«, krächzte er. »Wieso haben wir … gesiegt?«
Denn das hatten sie offensichtlich. Sonst würde er nicht hier auf einem weichen Fell in einem großen, hellen Raum liegen, der reich mit Ornamenten und Seidenstoffen verziert war, sondern bestenfalls in Ketten in einem Kerker.
Er konnte sich gerade noch erinnern, dass er mit dem Schwert vier oder fünf Angreifer niedergeschlagen hatte.
»Wir haben sie in die Flucht gejagt. Du hättest den Kaiser sehen sollen – Gott selbst muss ihn geleitet und sein Schwert geführt haben! Inzwischen schaffte es Friedrich von Schwaben, die Stadt zu erobern und bis zur Zitadelle vorzudringen«, berichtete Roland so knapp wie möglich. »Am nächsten Tag hat sich Kilidsch Arslan ergeben. Dass du nicht tot bist, ist allerdings Ruperts Verdienst. Er hat nicht eher aufgegeben, bis er dich auf dem Schlachtfeld gefunden und hierhergeschleift hat. Seitdem haben wir dich nicht wach bekommen. Aber jetzt musst du trinken … und eine Entscheidung treffen.«
Wieder setzte ihm Roland den Becher an die Lippen und gewährte ihm nun etwas mehr von dem köstlichen Nass.
Erst nach und nach sickerten seine Worte zu Thomas durch. Was für eine Entscheidung?
Der Freund schien die stumme Frage zu verstehen.
»Du hast Fieber … und dein Arm … sieht sehr schlimm aus. Bald wird der Feldscher kommen.«
»Zu mir kommt kein Feldscher«, widersprach Thomas matt. Am liebsten hätte er wieder geschlafen.
»Wenn der Graf von Weißenfels es befiehlt, dann kommt sogar zu einem undankbaren Kerl wie dir ein Feldscher«, versicherte Roland grinsend. »Und ihm wurde eindringlich nahegelegt, sich große Mühe zu geben.«
Langsam begriff Thomas, dass sich eine Menge Leute Sorgen um ihn gemacht hatten: Roland, Rupert, sogar Graf Dietrich …
Er sollte ihnen wohl danken. Stattdessen sagte er: »Zieh mir den Ärmel hoch. Ich will es sehen!«
Vorsichtig gehorchte Rupert, und Thomas erkannte sofort, wie es um ihn bestellt war. Der Arm war
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