Der Fluch der Hebamme
hinauszuspähen, ob der Gang verlassen war. Dann warf er noch einmal einen Blick zurück auf Thomas und knurrte: »Großmaul, du solltest zuvor noch deinen leichtsinnigen Schädel in die Tränke stecken und dir das Blut abspülen. Sonst merkt selbst der dümmste Pferdeknecht, dass etwas mit dir nicht stimmt.«
Siegesfeier
T homas und Roland hatten Glück: Sie wurden von den Döbener Stalljungen tatsächlich für Boten gehalten. Niemand hinderte sie daran, die Burg zu verlassen, sobald der Morgen graute und das Tor geöffnet wurde.
Ihr Entkommen bescherte Albrecht einen Wutanfall, als er wenig später sein Gefolge auf dem Burghof versammelte, um nach Meißen aufzubrechen. Er wollte schnell wieder dort sein, um seinen Machtantritt bekanntzugeben. In Döben sollten nur ein paar Männer bleiben, die unter dem Befehl seines Vetters den alten Markgrafen bewachten. Den alten Mann, berichtigte er sich hämisch in Gedanken. Markgraf bin jetzt ich.
Seine Hochstimmung verflog jäh, als ein furchtsam blickender Reisiger quer über den Burghof zu ihm humpelte, auf die Knie sank und stammelnd von der Flucht der beiden jungen Männer berichtete, die er mit nach Meißen nehmen wollte, um sie dort sicher verwahrt zu wissen.
»Wie konnte das geschehen?«, brüllte der selbsternannte Markgraf seine Männer an, die bereits in den Sätteln saßen. »Sollte ich bemerken, dass hier irgendwer von euch ein falsches Spiel treibt, werde ich ihm eigenhändig den Kopf von den Schultern schlagen!«
Elmar – kaum minder wütend – winkte seine vier schnellsten Reiter heran und erteilte Befehle.
»Gebt euren Gäulen die Sporen und spürt die Burschen auf, sonst werdet ihr euch wünschen, nie geboren zu sein! Durchsucht zunächst das Anwesen von Raimund von Muldental. Wenn sie dort nicht sind, reitet nach Freiberg. Findet sie, bevor sie jemandem erzählen können, was hier heute Nacht geschehen ist!«
»Sie sollen hängen!«, schrie Albrecht. »Eine Mark Silber für den, der sie ergreift!«
Elmar neigte sich zu ihm und raunte: »Ich rate Euch, sie lieber unauffällig aus dem Weg räumen zu lassen. Es könnte sonst die Ritterschaft gegen Euch aufbringen.«
Als Albrecht nach kurzem Zögern zustimmend nickte, wiederholte Elmar den Befehl laut an die Verfolger: »Findet sie und tötet sie, aber ohne unliebsame Zeugen! Und lasst die Leichname verschwinden. Eine Mark Silber als Belohnung für jeden!«
Als Ottos Sohn und sein Gefolge wieder auf dem Meißner Burgberg eintrafen, ließ Elmar die markgräfliche Burgmannschaft und die Dienerschaft antreten und verkündete, dass Albrecht nun der Herrscher über die Mark war. Zufrieden sah Ottos Erstgeborener auf die vor ihm Knienden herab, von denen es keiner wagte, Fragen zu stellen – schon gar nicht nach Verbleib und Befinden des alten Markgrafen.
Letztlich war es niemandem neu, in ihm den Herrscher zu sehen: Wenn sein Vater auf Reisen war, hatte er in den letzten Jahren stets ihm die Befehlsgewalt über die Mark Meißen übertragen.
Alles läuft wie geplant, dachte Albrecht selbstgefällig.
Er hatte viel gewagt. Wäre irgendetwas fehlgeschlagen, hätte er zum Beispiel seinen Vater töten müssen, war es fraglich, ob ihm der Kaiser oder der König als Belohnung für einen Vatermord die Markgrafschaft als Lehen übertragen würden.
Aber so saß der alte Mann in aller Bequemlichkeit in der vornehmsten Döbener Gästekammer, wurde mit Braten und Wein verköstigt und konnte es sich gutgehen lassen.
Die beiden Entflohenen, die seine Pläne noch hätten stören können, würden inzwischen sicher schon beseitigt sein.
Wie ein Rausch überkam Albrecht das Gefühl des Sieges und der Macht.
Nur um zwei Dinge hatte er sich hier auf dem Burgberg noch zu kümmern, dann konnte er nach Freiberg, sich das Silber holen.
Genauer gesagt: nicht zwei Dinge, sondern zwei Weiber. Aber so groß war der Unterschied nicht.
Er gab Elmar ein Zeichen. Der wusste, was nun bevorstand, und winkte zwei zuverlässige Männer zu sich. Zu viert stapften sie die Treppe hoch zur Kemenate.
»Euer Gemahl entsendet Euch ergebene Grüße, verehrte Mutter«, sagte Albrecht mit gespielter Liebenswürdigkeit, nachdem er die Tür zu Hedwigs Kammer aufgestoßen hatte.
Die Markgräfin hatte die Zeremonie auf dem Burghof vom Fenster aus beobachtet.
»Und wann kehrt er zurück?«, fragte sie, ihre Besorgnis hinter jahrzehntelang geübter Herablassung verbergend.
»Die Reise nach Döben hat ihn derart erschöpft, dass ihm das
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