Der Fluch der Hebamme
Frau, zu deren Tugenden nicht gerade Schweigsamkeit zählte, wie sie ihm wortreich die üblichen Vorhaltungen machte, er solle mehr auf seine Gesundheit und die Ausgeglichenheit seiner Säfte achten. Im schlimmsten Fall würde sie den Bader kommen lassen. Oder noch übler: das Weib seines Vorgängers, damit sie ihn kurierte, diese Marthe. Die war ihm erst recht nicht geheuer.
Schwitzend strich sich Heinrich über den kahlen Schädel und ließ die Hand kurz im fleischigen Nacken ruhen. Dann stützte er die Fingerknöchel auf die Tischplatte und beugte sich vor, um dem Schmied drohend in die Augen zu sehen.
»Die Bademägde sind Huren, die sich für derlei Dienste gut bezahlen lassen!«, fuhr er ihn an. »Und was diese Häuerstochter angeht: Suchte sie gleich nach der angeblichen Missetat einen Richter auf und erhob Klage mit zerzaustem Haar und zerrissenem Kleid, wie es das Gesetz vorschreibt? Anscheinend nicht, sonst wüsste ich davon. Also hat sie das Balg von wer weiß wem und erdreistet sich jetzt, herumzuschreien, um ihre Unzucht nicht eingestehen zu müssen.«
Immer noch kochend vor Wut, ließ er sich wieder auf seinen Platz sinken. War denn die ganze Welt aus den Fugen?
Vor kaum mehr als zwanzig Jahren waren die hier noch Knechte gewesen, Siedlergesindel, das auf allen vieren durch den Wald gekrochen kam, um nicht vor Hunger zu verrecken. Die hatten zu roden und zu säen und das Maul zu halten und höchstens von weitem und auf Knien einen ehrfürchtigen Blick auf Männer von Stand zu werfen!
Aber weil hier durch Zufall Silbererz gefunden worden war, wuchs das entlegene Rodungsdorf mitten im Dunklen Wald geradezu unheimlich schnell. Und wenn auch der alte Markgraf von Meißen ein entschlossener und weitsichtiger Mann war, der die Erzförderung mit kühnen Befehlen schnell vorantrieb – in einem hatte sich der sonst so unnachgiebige Otto von Wettin Heinrichs Meinung nach beschwatzen lassen: als er den Christiansdorfern vor vier Jahren das Stadtrecht gewährte.
Mit den Folgen musste er, Heinrich, sich nun als Vogt auf der Freiberger Burg herumschlagen. Statt vor ihm im Staub zu kriechen, wählten die Ortsansässigen neuerdings Ratsherren, die glaubten, ihm in seine Angelegenheiten hineinreden zu können.
Er hatte es schlichtweg abgelehnt, ins Dinghaus zu gehen und sich dort mit dem gesamten Rat zu treffen. So weit kam es noch! Also hatten die drei vor seiner Tür gewartet und um Einlass gebeten, als Bittsteller, wie es sich gehörte.
Der Tucher und der Gewandschneider hatten schon wieder den Schwanz eingezogen wie räudige Hunde. Doch da war noch dieser aufsässige Schwarzschmied, der schlimmste von allen! Seit wann waren Schmiede eigentlich ratswürdig, ausgenommen Gold- und Silberschmiede natürlich und vielleicht noch Waffenschmiede? Aber in diesem Rat versammelte sich wirklich das merkwürdigste Volk: Fassmacher, Wagener … sogar ein Fuhrmann!
Da, schon wieder setzte dieser Jonas zu einer Entgegnung an. Heinrich konnte sich bereits denken, was als Nächstes kommen würde.
»Der Vater des Mädchens ist arm. Er kann es sich nicht leisten, die Ziege zu töten, die bei der Untat zugegen war, wie es das Gesetz vorschreibt.«
Ja, dazu ist das Gesetz da!, dachte Heinrich. Damit nicht jeder Knecht es wagt, einen Herrn vor Gericht zu beschuldigen.
»Arm, ja? Erzählt man sich nicht im ganzen Land die unglaublichsten Geschichten vom Reichtum der jungen Silberstadt Freiberg und ihrer Bewohner?«, höhnte er. »Gesetz ist Gesetz. Wenn ihr wirklich widerfahren wäre, was hier Ungeheuerliches behauptet wird, hätte sie sich an den Richter wenden sollen, wie es sich gehört. An den Vogt. An mich. Sie sollte froh und dankbar sein, wenn ich ihr nicht wegen Verleumdung die lügnerische Zunge herausreißen und sie aus der Stadt jagen lasse!«
Jonas sah hilfesuchend zu Lukas, der ebenso wie der hochfahrend blickende, reich gekleidete Ritter neben ihm bisher kein Wort
zu dieser Unterredung beigetragen hatte.
Doch der sonst nicht gerade für Schweigsamkeit und Zurückhaltung bekannte Lukas zuckte nur bedauernd mit den Schultern.
Da das Mädchen nicht auf der Stelle Anklage erhoben hatte, konnte sie es nun auch nicht mehr tun. Ihr war wohl klar gewesen, dass sie kaum recht bekommen würde gegen einen Ritter, der bloß ein paar Eideshelfer brauchte, die beteuerten, dass er dergleichen niemals tun würde. Um das Seelenheil nicht zu gefährden, würden sie für den Meineid jemanden mit einer Wallfahrt an ihrer
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