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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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nach vierzehn Marschtagen an einem heißen und staubigen Tag Mitte August dort eintrafen, war die Stadt menschenleer. Nicht ein Korn ließ sich finden, von dem versprochenen Markt ganz zu schweigen. Die ohnehin schon aufgebrachte Stimmung unter den Männern war kurz vorm Sieden.
    Nach fünf weiteren Tagen kamen sie bis kurz vor Philippopel, die nächste größere Stadt. Hier schlug das Heer sein Lager auf. Und hier sollte ein Brief des Kaisers von Byzanz die Stimmung zum Überkochen bringen.
     
    Als sie sich Philippopel näherten, verlor Roland bei einem der urplötzlichen Angriffe aus dem Hinterhalt sein Pferd.
    Thomas hörte den Pfeil nicht sirren. Er sah nur zu seinem Entsetzen, wie der Rappe seines Freundes sich überschlug und den Reiter halb unter sich begrub. Sofort brachte er Radomir zum Stehen und sprang ab, um nach Roland zu sehen. Da erst entdeckte er den Pfeil, der den Hals des Hengstes durchschlagen hatte. Und dass das Tier nicht mehr zu retten war, denn beim Sturz hatte es sich die Vorderhand gebrochen.
    Während Roland anscheinend unverletzt aufkam, wurden rundum Befehle gebrüllt, zusammenzurücken und die Kolonne mit Schilden zu decken.
    Nach den Angreifern suchend, schaute Thomas sich um. Sie befanden sich in einem lichten Waldgebiet mit wenig Unterholz. Da entdeckte er auch schon einen von ihnen auf einem Baum. Wiprecht ließ die Bogenschützen antreten; rasch waren mehrere Räuber von den Bäumen geschossen und stürzten schreiend in die Tiefe. Ihren Kumpanen wurde es anscheinend zu gefährlich, weiter im Geäst zu warten, bis auch sie getroffen wurden. Sie kletterten im Schutz der dicken Stämme herab und rannten so schnell wie möglich davon.
    »Folgt ihnen und tötet sie!«, brüllte Wiprecht einem Dutzend Reisiger zu. Die Ritter sollten bleiben und den Zug schützen – gut möglich, dass der erste Angriff nur eine Falle war, um die Reiterei fortzulocken und dann die Trosskarren zu plündern.
    Thomas erhielt den Befehl, auf die Knappen aufzupassen, damit sie sich nicht zu irgendeiner Dummheit hinreißen ließen. Rupert bat ihn, als ältester der Knappen ebenfalls mit Schild und Schwert die anderen schützen zu dürfen, und bekam die Erlaubnis dazu.
    Als kein zweiter Angriff erfolgte, wagte Thomas einen besorgten Blick zu Roland. Der Freund hatte sich hinter sein Pferd gesetzt
     und sprach auf es ein. Dann zog er seinen Dolch und schnitt ihm mit einer kraftvollen Bewegung die Halsschlagader durch.
    Schaudernd wandte Thomas den Blick von dem sich aufbäumenden Tier ab. Er konnte sich gut vorstellen, was in Roland vor sich ging. Für einen Ritter war sein bestes Pferd mehr als nur ein Reittier – es war sein Vertrauter, sein Gefährte, und von ihrem Zusammenspiel hing in der Schlacht beider Leben ab. Doch wer sein Pferd so gut beherrschen wollte, dass es auf jeden Befehl hörte und auch vor Schlachtlärm, Feuer und angreifenden Horden nicht zurückscheute, der musste viel Zeit mit ihm verbringen. Rolands Rappe war aus hervorragender Zucht. Raimund selbst hatte es ausgebildet und seinen Sohn bei jedem seiner Besuche zu Hause mit ihm üben lassen, und in den anderthalb Jahren seit seiner Schwertleite war Roland mit dem Tier vertraut geworden, wie es nur den wenigsten Reitern gelang.
    Lärmend kamen die Reisigen durch das Unterholz zurück; einige von ihnen hielten abgeschlagene Köpfe als Trophäen in den Händen.
    »Wir haben sie alle erwischt bis auf einen«, berichtete der draufgängerischste von ihnen, ein muskelbepackter Kerl mit einer Narbe auf der Wange, der auf Burg Weißenfels Dienst getan hatte, wie Thomas wusste, bevor er mit Dietrich zu dieser Reise aufgebrochen war. »Einer ist entwischt. Aber soll der ruhig seinen Kumpanen ausrichten, dass sie sich an uns die Zähne ausbeißen.«
    Thomas ging hinüber zu Roland, der immer noch mit finsterer Miene neben seinem sterbenden Pferd saß.
    »Nimm Radomir«, bot er ihm an. »Ein so wertvolles Geschenk von deinem Vater habe ich nicht verdient. Er würde das sicher auch wollen.«
    »Unsinn«, sagte Roland schroff, wischte seinen blutigen Dolch im Moos ab und stand auf. »Er hat ihn
dir
gegeben.«
    »Du kannst nicht auf einem Packpferd in den Kampf reiten!«, widersprach Thomas. Da sie als Flüchtlinge zum Heer gestoßen waren, hatten keiner von ihnen zusätzlich zu Marsch- und Packpferd auch noch ein Schlachtross für den eigentlichen Kampf dabei, wie es sich für einen Ritter gehörte, der in den Krieg zog.
    Gespielt gleichgültig zuckte

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