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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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entfesselt.

Oktober 1189 in Merseburg
    S elten hatte ein Hoftag bereits vorher so sehr die Gemüter erhitzt wie jener, den König Heinrich nach Merseburg einberufen hatte.
    Eine Kunde hatte sich wie ein Lauffeuer im Land verbreitet: Wortbrüchig war Heinrich der Löwe aus dem englischen Exil zurückgekehrt. Angeblich, um in Braunschweig am Grab seiner geliebten Frau Mathilde zu beten, die drei Monate nach seiner Abreise gestorben war. Doch niemand hielt das für den alleinigen Grund.
    Insgeheim hatten die meisten Fürsten längst damit gerechnet, dass der einstige Herzog von Sachsen und Bayern die Abwesenheit des Kaisers für den Versuch nutzen würde, seine Titel und Ländereien zurückzuerobern.
    Wie würde der König, der kaum vierundzwanzig Jahre zählte, gegen den kampferprobten Welfen vorgehen, gegen den sein Vater jahrelang hart Krieg geführt hatte?
    An der Entschlossenheit des jungen Staufers bestand kein Zweifel. Ihn hemmte nicht – wie einst seinen Vater Friedrich – der Gedanke, dass der Löwe viele Jahre sein engster Verbündeter, Freund und Vetter gewesen war. Doch würde sich der junge Heinrich gegen den gleichnamigen alten Kämpen und dessen ebenfalls nach Macht hungernden Söhne behaupten können?
    Wie gemunkelt wurde, zitterte der nunmehrige Herzog von Sachsen, Bernhard von Anhalt, bereits bei dem Gedanken an seinen zurückgekehrten Vorgänger. Der Askanier hatte etliche Schlachten geführt, aber kaum eine gewonnen. Der trotz Ächtung und Verbannung immer noch beträchtlichen welfischen Hausmacht hatte er nicht viel entgegenzusetzen. Ein erneuter Krieg gegen den Löwen schien unausweichlich.
    Und noch etwas wurde unter den nach Merseburg angereisten Gästen lebhaft erörtert, wenn auch zumeist hinter vorgehaltener Hand: die haarsträubenden Streitigkeiten im Hause Wettin, die nun endlich geschlichtet werden sollten.
    Im August, beim Hoftag in Würzburg, hatte es der König nicht geschafft, den alten Fürsten von Meißen mit dem jungen auszusöhnen, der seinen Vater doch tatsächlich gefangen gesetzt hatte, um endlich selbst die Markgrafschaft mit den reichen Silberbergwerken zu regieren.
    Die Meinungen darüber gingen weit auseinander. Während die Älteren sich über das dreiste Vorgehen des undankbaren Sohnes entrüsteten, dachte manch Jüngerer bei sich, Albrecht habe wirklich lange genug darauf gewartet, dass sein Vater zurücktrat. Zumal auch noch gemunkelt wurde, seine Mutter wolle ihm das Erbe vorenthalten und lieber seinem jüngeren Bruder zuschanzen. So sei es ihm nicht zu verdenken, dass er der Sache ein bisschen nachhelfen wollte.
     
    Otto von Wettin war sich dessen bewusst, dass er bei diesem Hoftag keinen Schritt gehen konnte, ohne heimlich mit Neugier, Häme oder Spott beobachtet zu werden – ob nun in der prachtvoll ausgemalten Kaiserpfalz oder im Dom. Unter anderen Umständen hätte ihn das nicht gekümmert. Doch jetzt schlug ihm die Vorstellung aufs Gemüt, dass ihn nur noch ein Wunder davor bewahren konnte, vor den Augen des Königs und sämtlicher versammelter Reichsfürsten den verhassten Sohn zum Zeichen des Friedens zu umarmen. Und Wunder waren rar geworden in letzter Zeit.
    Hedwig redete mit Engelszungen auf ihn ein, um ihm die Sache irgendwie erträglich zu machen. Doch Otto empfand bereits den bloßen Gedanken an die befohlene Aussöhnung als demütigend.
    Wenn nur der alte Kaiser nicht auf Pilgerfahrt gegangen wäre! Friedrich von Staufen hätte den ungehorsamen Sohn mit Sicherheit streng bestraft – schon um zu verhindern, dass andere seinem Beispiel folgten. Doch Albrecht hatte nicht zufällig mit seinem Handstreich gewartet, bis der Kaiser die ungarische Grenze überschritten hatte. Und mit dem jungen König stand er sich gut. Jedenfalls, soweit man sich mit diesem König gut stehen konnte.
    »Es ist nur zum Schein!«, raunte Hedwig ihrem Mann zu, die wohl seine Gedanken erraten haben musste. »Nur ein Augenblick! Er heuchelt ein paar schwülstige Worte der Reue, du schließt ihn kurz in die Arme, und der König wird sich zufriedengeben. Kein Mensch erwartet, dass zwischen euch plötzlich wieder Eintracht und Liebe herrschen. Albrecht wird sich vorerst ohnehin nicht in Meißen blicken lassen, sondern beim König bleiben. Soll er meinem verräterischen Bruder Bernhard helfen, sich gegen den Löwen zu behaupten! Und Bernhards gewaltige Furcht vor dem Welfen sollte dich dafür entschädigen, dass er Albrecht damals ermutigt hat, gegen dich vorzugehen. Von mir aus

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