Der Fluch der Hebamme
den ehrwürdigen Bischof Hermann von Münster, Graf Robert von Nassau und Unseren Kämmerer Markward von Neuenburg, gefangen hält. Er raubte ihnen Geld und Kleider und ließ sie ungeachtet ihres Standes nackt in den Kerker werfen.«
Dieser ungeheuerliche Verstoß gegen alle Gepflogenheiten erregte unter der versammelten Ritterschaft solch starken Aufruhr, dass sogar der hervorragend ausgebildete Schimmel des Kaisers scheute. Friedrich brachte sein Pferd zur Ruhe und hob erneut die Hand, doch diesmal verstummten die Rufe nicht so schnell.
»Pilger aus Soest und der Provence, die zu uns stoßen wollten, werden in Konstantinopel festgehalten. Und der Patriarch von Konstantinopel verkündet in der Hagia Sophia, wer hundert von uns tötet, dem würde vergeben, auch wenn er zehn von seinen Landsleuten umgebracht hätte!«
Ungläubig starrte Thomas den Kaiser und die beiden Bischöfe neben ihm an. Das war … einfach unfassbar! Wie konnte ein geistlicher Führer der Christen – auch wenn er der oströmischen Kirche angehörte – zum Mord an christlichen Pilgern aufrufen? Er sah zu Dietrich von Weißenfels, auf dessen Gesicht der gleiche Abscheu stand wie auf denen der Bischöfe. Also war es wahr?
»Nach Konstantinopel!«, brüllte einer der Gefolgsleute des Grafen Heinrich von Saarbrücken und reckte sein Schwert empor. »Bestrafen wir die Verräter!«
Etliche der Männer zogen ebenfalls die Schwerter und riefen: »Nach Konstantinopel!« Immer mehr schlossen sich ihnen an und riefen: »Nach Konstantinopel! Nach Konstantinopel!«
Friedrich ließ sie gewähren, bis er sich mit einer Geste erneut Ruhe verschaffte.
»Wir werden nach Konstantinopel ziehen«, sagte er und erntete dafür tosenden Jubel aus Tausenden Männerkehlen. »Wir werden nach Konstantinopel ziehen – wenn Isaak nicht endlich freiwillig gibt, was er Uns zugesichert hat. Wir werden das Land Unserer Herrschaft unterwerfen, bis er einlenkt, Schiffe bereitstellt und hochedle Geiseln als Sicherheit schickt. Und sollte er
nicht
nachgeben, erobern Wir Konstantinopel!«
Mit unübersehbarer Genugtuung wartete der Kaiser, bis die begeisterten Rufe der Männer verhallt waren.
»Mein Sohn, der König, soll eine Flotte bereitstellen, die Uns von See unterstützt, während wir die Stadt von Land angreifen. Und er soll dem Papst schreiben, dass die Feinde des Kreuzes nun auch in Konstantinopel sitzen und ihr böses Werk verrichten.«
Der Papst soll zu einem Kreuzzug gegen Christen aufrufen?, dachte Thomas bis ins Mark erschüttert. Wir wollten Jerusalem von den Sarazenen zurückerobern!
»Wie es aussieht, geht dein unvorsichtiger Wunsch vielleicht schneller in Erfüllung, als du denkst«, raunte Roland ihm zu.
»Statt gegen die Sarazenen kämpfen wir gegen eine christliche Stadt!«, sagte Thomas bestürzt.
Sein Freund hingegen sah die Sache leidenschaftslos. »Wenn Isaak nicht einlenkt, bleibt uns nichts weiter übrig. Willst du nach Jerusalem? Dann brauchen wir Schiffe! Also müssen wir ihn in die Knie zwingen, damit er endlich sein Wort einlöst.«
»Sie werden Uns nicht aufhalten!«, rief der Kaiser. »Auf den Hügeln vor uns, meine Getreuen, liegt Philippopel. Dort werden wir heute noch Lager beziehen. Nehmt die Stadt – und nehmt euch, was euch zugesichert worden war und freiwillig nicht gegeben wird. Für Gott und Jerusalem!«
Nun zog Friedrich das Schwert, und die Ritter taten es ihm gleich und schrien: »Für Gott und Jerusalem!«
Die meisten schienen es kaum erwarten zu können, auf der Stelle loszustürmen.
»Wir reiten sofort; der Tross soll folgen«, verkündete der Marschall unter tosendem Jubel.
Augenblicke später war der Platz wie leergefegt, die Ritter rannten zu ihren Lagern, um die Pferde satteln zu lassen und Lanzen aufzunehmen.
Binnen kürzerer Zeit, als man für zehn Ave-Marias brauchte, stürmte die Panzerreiterei unter dem Kommando des Herzogs von Schwaben los: mehrere tausend schwer gerüstete Ritter, voller Wut im Bauch und fest entschlossen, alles niederzumachen, was sich ihnen in den Weg stellte.
Lasst uns beten, dass die Stadt ebenso verlassen ist wie die meisten anderen, durch die wir gezogen sind!, dachte Thomas, während er in den Sattel stieg.
Das Vorhaben des Kaisers, auf friedlichen Wegen ins Heilige Land zu gelangen, war gescheitert. Nun hatte Friedrich von Staufen, der monatelang mit eiserner Hand Disziplin in seinem viele tausend Mann mächtigen Heer gehalten hatte, diese furchterregende Streitmacht
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