Der Fluch der Hebamme
kann Bernhard Sachsen verlieren! Er ist es nicht wert, ein Herzogtum zu besitzen, wenn er es nicht halten kann.«
Verwundert hörte Otto dieses harte Urteil Hedwigs über ihren jüngsten Bruder, der nach der Entmachtung des Löwen zu aller Überraschung Herzog von Sachsen geworden war – vermutlich der schwächste und glückloseste Herzog, den das Land je gesehen hatte. Ihr Vater Albrecht der Bär, der einstige Markgraf von Brandenburg, und ihre älteren Brüder waren da von ganz anderem Schlag. Doch das lenkte ihn nur kurz von den finsteren Gedanken ab, die sich in ihm festgebissen hatten wie lästiges Ungeziefer.
»Es ist eine Demütigung, wie ich sie mein ganzes Leben noch nicht ertragen musste! Als mein Vater eine vergleichbare Schmach hinnehmen musste, blieb ihm nur der Rückzug ins Kloster. Und ihm wurde damals nur ein Burglehen aberkannt – er musste nicht vor dem versammelten Hofstaat einem Verräter den Friedenskuss geben und ihm Verzeihung gewähren!«
»Wenn du ins Kloster gingst, bekäme Albrecht sofort dein Land und deinen Besitz. Das wirst du doch nicht wollen?«, widersprach ihm Hedwig mit unerbittlichem Scharfblick. »Also überwinde dich, ertrage diesen einen kurzen Moment und bitte den Herrn darum, dir noch viele Lebensjahre zu schenken.
Das
wird dein wahrer Triumph über Albrecht!«
Otto erforschte das hintergründige Lächeln seiner Frau und fand ihren Gedanken auf einmal sehr aufregend. So konnte man es natürlich auch betrachten!
Zufrieden beobachtete Hedwig das Antlitz ihres Gemahls.
Otto hatte soeben mit ihrer Hilfe ein neues Ziel gefunden: seinem Erstgeborenen so lange wie möglich das Erbe vorzuenthalten. Sie musste sich mit Marthe absprechen. Nun würde Otto wohl auch bereit sein, die Heiltränke anzunehmen, die sie ihm braute und die er ihrer Meinung nach dringend benötigte.
Sie rückte ihm mit eigener Hand den Tasselmantel zurecht und wies den Kämmerer an, eine größere, mit kostbaren Steinen geschmückte Fibel zu bringen, damit ihr Mann vor der Fürstenversammlung einen angemessenen Auftritt hatte.
»Wir warten mit äußerster Ungeduld!«
Missbilligend sah der König zu dem alten Markgrafen von Meißen, der sich nicht entschließen konnte, seinem Befehl nachzukommen und dem Sohn Verzeihung zu gewähren.
Die im Saal der Kaiserpfalz versammelten Fürsten waren höchst gespannt, welche Posse ihnen die beiden zerstrittenen Wettiner gleich bieten würden, die sich in der Mitte des Raumes gegenüberstanden: der künftige Erbe in betont schlichtem Bliaut und mit gequältem Lächeln, sein alter Vater überaus kostbar geschmückt und gekleidet, stolz und mit unnachgiebigem Blick.
»Euer Erstgeborener hat hier soeben vor uns allen Worte aufrichtiger Reue gefunden«, forderte der König den Markgrafen harsch zum Einlenken auf. »Wir haben heute noch wichtigere Dinge zu besprechen als Familienzwistigkeiten in den östlichen Marken!«
Die hochmütige Zurechtweisung des jungen Königs, der dem Alter nach sein Enkel hätte sein können, machte es für Otto noch schwerer. Er musste sich zwingen, nicht hilfesuchend zu Hedwig zu schauen, sondern seinem Sohn geradewegs in die kalten Augen.
Der Abstand von einer halben Schrittlänge zwischen ihnen schien auf einmal unüberwindbar – so, als hätte sich an dieser Stelle ein Riss in der Erde aufgetan, der bis in den tiefsten Schlund der Hölle reichte.
Herr im Himmel, so strafst du mich für meinen Hochmut, dachte er, während das Blut in seinen Adern zu kochen schien.
Albrechts siegessicheres Lächeln war es, das ihn dazu brachte, diesen halben Schritt zu überwinden.
»Du wirst noch Jahre warten müssen, bis du bekommst, was du willst!«, zischte er, während er seinen Erstgeborenen so flüchtig wie nur irgend möglich umarmte.
»Aber bekommen werde ich es auf jeden Fall«, gab dieser leise zurück. Nur unaufmerksame Betrachter hätten sein Lächeln für herzlich halten können.
Otto ließ seinen Sohn los, als habe er glühendes Eisen berührt, und trat einen Schritt zurück, während er ein Schaudern unterdrückte.
»Ich danke Euch für Eure Großzügigkeit, erlauchter Vater«, sagte Albrecht laut, verneigte sich und wandte sich mit zuversichtlichem Lächeln dem König zu.
»Damit sei diese leidige Angelegenheit endlich aus der Welt!«, ordnete der König an.
Otto trat zurück in die Reihe der Fürsten, neben den Bruder des Landgrafen von Thüringen. Albrecht schritt zur anderen Seite und stellte sich zu seinem Vetter
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