Der Fluch der Hebamme
käme Euch doch sehr gelegen, wenn Seine Majestät, der Kaiser, ihn bestrafte … zu Euren Gunsten. Nicht wahr?«
Nun wurde Thomas erst zur Gänze bewusst, in welch heikler Lage sich Dietrich befand. Er durfte seinen Vater nicht im Stich lassen, doch er konnte ihm auch nicht zu Hilfe eilen. Seine einzige Möglichkeit bestand darin, den Kaiser zum Eingreifen zu veranlassen. Wenn aber Dietrich selbst von den Ereignissen in der Mark Meißen berichtete, sah es so aus, als wolle er seinen Bruder in Verruf bringen. Deshalb also Hedwigs erfundene Bitte um Hilfe!
»Ihr seht mich
hier
, mein König, im Pilgerheer unseres Kaisers, Eures Vaters, und nicht auf dem Burgberg in Meißen, um dort die Herrschaft an mich zu reißen«, sagte Dietrich, immer noch kniend, zu Heinrich gewandt. Er lächelte höflich und breitete die Arme aus – eine entwaffnende Geste, fand Thomas, und sehr klug überlegt.
Der Kaiser hielt die Lehnen des Thrones immer noch umklammert, seine Kiefer malmten.
»Wir können das nicht dulden! Für Unsere Wallfahrt müssen Wir wissen, dass die Verhältnisse im Land geordnet sind – und nicht, dass es Beute von Räubern wird!«, rief er und winkte den Schenken heran, der ihm eiligst den zuvor verschmähten Pokal reichte. Friedrich trank einen Schluck, um sich zu beruhigen.
Erst bei seinen letzten Worten war Thomas aufgefallen, dass der Kaiser anfangs auf den Pluralis Majestatis verzichtet hatte – so sehr muss ihn die Nachricht aufgebracht haben.
»Wir wünschen Einzelheiten zu hören!«
Auf einen Wink hin begann Roland, ausführlich zu berichten – davon, was sich auf Burg Döben zugetragen hatte, von Hedwigs Lage und dass Tote zu beklagen waren.
Mit regloser Miene hörte der Kaiser zu.
»Diese Angelegenheit verlangt nach Klärung, darin stimme ich Euch selbstverständlich zu«, sagte der König zu seinem Vater, als Roland geendet hatte. »Überlasst das ruhigen Herzens mir, während Ihr nach Jerusalem zieht. Ich werde mich nach meiner Rückkehr dieser Sache umgehend annehmen.«
»Dem Ruchlosen soll Botschaft gesandt werden, dass er seinen Vater unverzüglich freizulassen hat. Und seine Mutter!«
Immer noch atmete der Kaiser schwer.
»Ich kümmere mich darum, Majestät. Ich werde Boten nach Meißen schicken«, versicherte Heinrich.
»Albrecht von Wettin verdient strengste Strafe!«, verlangte der Kaiser, schon etwas ruhiger.
»Natürlich, Majestät.«
Keiner der anderen Anwesenden sagte ein Wort.
Thomas blickte fragend zu Dietrich, dessen Miene nichts von seinen Gedanken verriet. Waren sie jetzt entlassen? Niemand durfte sich aus der Gegenwart des Kaisers entfernen, ohne ausdrücklich dazu aufgefordert zu sein.
So trafen ihn die nächsten Worte Friedrichs von Staufen völlig überraschend.
»Was ist mit den jungen Boten? Sie haben großen Mut bewiesen, um den Frevel zu enthüllen, der während Unserer Abwesenheit begangen wurde.«
Der Tonfall und der auffordernde Blick ließen Roland keine Wahl. Oder nutzte er nur die Gelegenheit, von der sie beide heimlich geträumt hatten?
»Wenn Ihr erlaubt, Majestät, schließe ich mich Eurem Pilgerzug ins Heilige Land an.«
»Und ich ebenso«, sagte Thomas, ohne zu zögern.
»Sie nehmen das Kreuz, für Gott!«
Zufrieden lehnte sich Friedrich zurück und betrachtete die beiden jungen Männer. »So seid Uns willkommen!«
Ein Bischof in kostbarer Robe erhob sich und trat zwei Schritte vor. Nach allem, was Thomas von Dietrich erfahren hatte, musste dies Gottfried von Würzburg sein, der nicht nur zu den geistlichen, sondern auch zu den militärischen Anführern des Heerzuges gehörte. Er selbst hatte dem Kaiser auf dem Hoftag in Mainz das Kreuz angeheftet. Nun öffnete er ein mit Gold beschlagenes Kästchen und entnahm ihm vier schmale rote Streifen.
»Allerdings …«, rutschte es Thomas heraus, bevor er sich besinnen konnte, dass er vor dem Kaiser nicht sprechen durfte, ohne aufgefordert zu sein.
Missbilligend sah Friedrich von Staufen ihn an. »Bereut Ihr so schnell, Euer Wallfahrtsversprechen abgelegt zu haben, junger Ritter?«
»Das ist es, was ich sagen wollte … Majestät … ich bin noch kein Ritter.«
»Also ein Knappe. Wer ist dein Vater?«
»Christian von Christiansdorf«, gab Thomas Auskunft.
»Christiansdorf?«, fragte der Kaiser stirnrunzelnd zurück. »Das Silberdorf, dem Dunklen Wald abgerungen? Wie es scheint, kommt der Sohn ganz nach dem Vater. Wer war dein Großvater?«
Thomas durchfuhr es siedend heiß. Aus der
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