Der Fluch der Hebamme
Traum vom Rittertum!, dachte er bitter.
Der Kaiser hatte vor Jahren ein Gesetz erlassen, nach dem nur Ritter werden durfte, wessen Vater und Großvater schon diesem Stand angehörten. Doch Christians Vater – Thomas’ Großvater, den er nie kennengelernt hatte – war einer der Niedrigsten unter den Niedrigen gewesen, ein Spielmann. Unter diesem Deckmantel hatte er für Ottos Vater Feinde ausgekundschaftet, was ihm einen grausamen Tod einbrachte. Das war neben Marthes besonderen Fähigkeiten das am besten gehütete Geheimnis der Familie. Nur der alte Markgraf Otto wusste davon durch seinen Vater Konrad, der Christian auf den Burgberg holen und ausbilden ließ, nachdem ihn die Nachricht vom Tod seines besten Spions erreichte.
Würde jemand zu Christians Lebzeiten von seiner Herkunft erfahren haben, hätte dieser nie und nimmer Ritter oder gar Vogt werden können.
Gleich werde ich mit Schimpf und Schande davongejagt, dachte Thomas bestürzt. Und meine Schwester ist Freiwild für jedermann.
Noch einmal griff unerwartet Graf Dietrich ein, bevor das Schweigen des jungen Freibergers als Unhöflichkeit ausgelegt werden konnte.
»Sein Großvater ließ sein Leben in Diensten meines Großvaters, Majestät. Markgraf Konrad, den man den Großen nannte, hat ihn für seinen außergewöhnlichen Mut und seine Ergebenheit hochgeehrt.«
Das war sehr weise formuliert – es gab annähernd die Wahrheit wieder, ohne jene anrüchigen Einzelheiten zu erwähnen, die Thomas und seiner Familie zum Verhängnis werden könnten.
»So. Eine Linie besonders tapferer Männer, wie es scheint«, entgegnete der Kaiser und schien mit dieser Erläuterung zufrieden zu sein. »Geht zur Beichte und verbringt die Nacht im Gebet, dann werdet Ihr morgen in den Ritterstand erhoben«, verkündete Friedrich von Staufen.
Sprachlos vor Überraschung, verneigte sich Thomas.
Der Kaiser selbst lässt mich zum Ritter ernennen!, dachte er überglücklich, als er wieder unter freiem Himmel stand. Und morgen ziehe ich mit seinem Heer ins Heilige Land, nach Jerusalem!
Freund und Feind
V on durcheinanderwirbelnden Gefühlen überwältigt, folgte Thomas dem Grafen von Weißenfels zurück ins wettinische Lager. Auch Roland schien tief in Grübeleien versunken und sagte kein Wort. Vielleicht war er in Gedanken schon in Jerusalem.
Nichts an Dietrichs Miene verriet, was er von dem Ausgang der Audienz beim Kaiser hielt. Als er vor seinem Zelt stand, wandte er sich zu Roland. »Ihr habt an Ausrüstung, was ihr benötigt? Sonst kauft bei den Pressburger Händlern, was ihr noch braucht.«
»Unsere Väter haben uns gut ausgestattet, bevor sie uns zu Euch schickten«, versicherte Roland. »Aber wenn Ihr es erlaubt, frische ich unsere Vorräte an Proviant und Hafer auf.«
Dietrich nickte zustimmend und erteilte Wiprecht den Befehl, dem Ritter von Muldental zwei Knappen zuzuweisen.
Als Thomas Roland folgen wollte, hielt ihn der Graf zurück.
»Wir haben zu reden!«, sagte er knapp und wies ihn mit einer Geste an, ihm ins Zelt zu folgen.
Sofort verspürte Thomas ein schlechtes Gewissen, auch wenn er nicht einmal genau hätte sagen können, weshalb. Aber das würde er wohl gleich erfahren.
Es hatte schon vor einiger Zeit zu regnen begonnen, inzwischen tropfte ihnen das Wasser von den schulterlangen Haaren. Doch
sicher beorderte ihn der Graf nicht wegen des Wetters ins Zelt.
Thomas wusste, dass Dietrich trotz seiner Jugend einen hervorragenden Ruf als zäher und gewandter Kämpfer hatte, schnell und ausdauernd mit dem Schwert. Mit einem Anflug von Stolz dachte er, dass dies auch Verdienst seines Vaters war. Umso mehr bedrückte ihn die Vorstellung, den Mann zu enttäuschen, der für ihn das Ideal eines vollkommenen Ritters verkörperte und in dessen Dienste er treten wollte.
Würde Dietrich ihn zurückschicken? Seine Miene jedenfalls ließ das befürchten.
Thomas hatte die Leinwand kaum hinter sich geschlossen, als der Graf von Weißenfels ihn auch schon streng zurechtwies.
»Roland von Muldental ist volljährig und ein Ritter. Wenn er das Kreuz nimmt, ist das eine Entscheidung, die zu treffen ihm zusteht. Dir als Knappe jedoch nicht!«, sagte er schroff. »Was werden deine Eltern sagen, wenn sie erfahren, was du gerade getan hast? Sie haben dich zu mir geschickt und vertrauen darauf, dass ich für deine wohlbehaltene Rückkehr sorge. Ich wollte dich nach Weißenfels schicken, bis sich die Lage in Meißen geklärt hat. Das kann ich nun nicht mehr tun nach
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